Engel auf Abwegen
genau zu erklären, wer die »Zicke« war. Ich natürlich. Wahrscheinlich hatte er sagen wollen »zickige Galeriebesitzerin«.
Nikki fühlte sich unwohl, Howard war amüsiert, während sich Sawyers Mund nach oben zog. »Ihre Hoheit höchstpersönlich, Fredericka Hildebrand Ware.«
Sein Lächeln war nicht besonders freundlich, eher ein spöttisches Grinsen, das langsam abgedroschen wirkte, insbesondere, wenn es von dem großen, idiotisch gekleideten Mann kam. Er mochte in der Künstlerwelt ein großer Fisch sein und in seinem Studio sexy aussehen, aber heute trug er eine Cargohose (die nur Jugendliche aus den Unterschichten anziehen durften), ein Army-T-Shirt (das nur von GI-Puppen mit vorgeformten Muskeln und Plastikgewehren getragen werden sollte) und Sandalen (die von Männern, egal, ob echt oder unecht, auf keinen Fall getragen werden sollten).
»Ich hätte mir denken können, dass Nikki Ihnen meinen Namen gesagt hat«, meinte er. »Das hätten Sie mir sagen sollen, dann wäre ich vielleicht netter zu Ihnen gewesen.«
Zuerst hatte dieser Mann spöttisch gegrinst und dann gelacht, als er meinen Namen gehört hatte. Wenn ich den Namen Grout erwähnt hätte, wäre ich bestimmt zum Debütantinnenball des Künstlers eingeladen worden. Können Sie sich das vorstellen?
Nikki ging zu ihm und versetzte ihm spielerisch einen Klaps auf den Arm. »Ich wusste nicht, dass du heute zu uns kommst, Sawyer. Frede und ich wollen shoppen gehen. Nicht, dass ich unbedingt Kleidung brauche. Schau mich an!« Sie wirbelte herum. »Frede bringt mir bei, wie ein Mitglied der Junior League auszusehen hat, und ich habe den Bogen bald raus.«
Ich musste näher hinschauen, um zu verstehen, was sie damit meinte.
»Dieses Beige!«, sagte sie.
Ah, natürlich beige, das hätte ich wissen sollen. Nikki fiel es wirklich nicht leicht, die Unterschiede zwischen ihr und mir zu verstehen. Sie trug eine beigefarbene Spandex-Hose, die wie aufgemalt wirkte.
»Ist mein neues Twinset nicht wunderschön?«
Wie ein Model breitete sie die Arme aus, um ihren Gästen einen Einblick in das »Twinset« zu geben, dessen Qualität meinen Sachen entsprochen hätte, wenn Nina es nicht versehentlich zuerst in den Trockner gesteckt hätte. Es war aus hautengem Kaschmir (ich wusste nicht, dass das möglich war), das mit Spandex versetzt sein musste. Der Pullover war mit Perlen verziert, als hätte Nikki beschlossen: Wenn ich ihn nicht mit Glitzerkram akzentuieren kann, versehe ich ihn mit Perlen, je mehr desto besser. Außerdem hatten wir in Texas März, und es war kein Wetter mehr für Kaschmir.
»Ja, Süße, schau dich an«, brachte ich hervor.
Nikki war stolz wie Oskar und rief nach dem Dienstmädchen. »Maria, würdest du uns bitte den Tee bringen?« Sie sah mich an. »Wir haben noch etwas Zeit, oder?«
Der Künstler ermöglichte mir nicht, diese Frage zu beantworten, denn er rief hinter dem Hausmädchen her: »Meinen bitte heiß, Maria.«
Dann setzten wir uns an den kleinen Tisch. Nikki kicherte und vergaß … nein, das ist nicht richtig. Sie erinnerte sich an keine der Benimmregeln, die ich ihr am Vortag beigebracht hatte. Der Künstler schob seinen Stuhl zurück und überkreuzte die Beine … an den Knien. Mir ist aufgefallen, dass das Männer tun, die in New York oder Lateinamerika
leben. Aber wir waren immer noch in Texas, wo wirkliche Männer die Knöchel-Knie-Haltung vorzogen.
Howard setzte sich zu uns, was ich ziemlich interessant fand, denn die meisten texanischen Rednecks gehen Männern, die andere Männer bevorzugen, aus dem Weg – es sei denn, sie waren Jagdfreunde und hießen Bubba.
»Also, Sawyer«, fing Nikki an, »du sagst, du malst wieder …«
Er tat die Worte mit einer Handbewegung ab, was bei einem Mann seiner Größe ziemlich merkwürdig aussah. »Ich bin hergekommen, um dir zu erzählen, dass mich noch ein Galeriebesitzer aufgesucht hat, der meine Werke ausstellen will.« Er blickte mich an. »Und siehe da, hier ist sie.«
»Du solltest zusagen, Sawyer«, sagte Nikki.
»Er hat bereits nein gesagt.«
»Was?« Howard beäugte mich. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, es wäre schon alles arrangiert.«
Ich lächelte so unschuldig wie ein Chormädchen bei den Baptisten. »Habe ich das gesagt?«
Der Künstler sah mich an. Ich konnte nicht genau erkennen, was er dachte, aber irgendetwas sagte mir, dass er angewidert war. Von mir. Aber das konnte ich nicht genau sagen, da ich noch nie so einer Situation ausgesetzt gewesen
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