Engel auf Abwegen
ich.
»Ich versuche gerade, Sie zu verstehen.«
»Da gibt es nichts zu verstehen, Mr. Jackson. Ich bin kein Rätsel.« Bescheidenheit rangiert auf der gleichen hohen Stufe wie »Kein tiefes Dekolleté vor sechs Uhr abends« und »Ich bin genau das, was Sie vor sich sehen«. Nach dem, was er bisher gesehen hatte, war ich eine Hexe, die über alle herzog.
Er lachte wieder und gab ein ungläubiges Grunzen von sich. »Das bezweifle ich.«
An der Art, wie er das sagte, konnte ich erkennen, dass das kein Kompliment war.
»Sagen Sie mir, aus welchem Grund helfen Sie Nikki?«
Was sollte ich sagen? »Weil sie gut für die Junior League ist«, erwiderte ich, wie ich es auch zu meiner Mutter gesagt hatte. »Außerdem tun mein Mann und ich für unsere Nachbarn alles, was wir können.« Ich war selber beeindruckt von meiner Antwort.
»Sie und Ihr Mann, ha? Während Sie stundenlang mit
Ihrem Haar beschäftigt waren, habe ich mich über Ihren Mann erkundigt, und Nikki sagte, sie hätte ihn nie kennengelernt. Er scheint nicht oft hier zu sein.«
Er hatte doch nicht etwa geglaubt, ich würde darauf hereinfallen?
Das Herz schlug mir wieder bis zum Hals. Es gab zu viele Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Ich benahm mich vulgärer als die vierte Frau eines Millionärs auf dessen Jacht. Mein Geld war weg, verschwendet an eine andere Frau, die in meiner sündhaft teuren Bettwäsche geschlafen hatte.
Ein Leitartikel oder eine kaputte Kniescheibe waren plötzlich eine zu milde Strafe für meinen Mann. Ich stand mitten in Saks Fifth Avenue und stellte mir vor, dass Gordon Ware pleite war und irgendwo in der Dritten Welt einen qualvollen Tod starb.
Und ich fühlte mich schrecklich dabei – nicht weil ich Gordon das wünschte, sondern weil ich so vulgär werden konnte, um derart krasse Gedanken zu haben.
Wahrscheinlich ging ich deshalb dazu über, von meinem Mann und meiner Ehe zu schwärmen. »Wir haben eine wunderbare Beziehung. Wirklich. Er reist nur sehr viel. Aber ich bete ihn an, und er betet mich an.« Ein paar Lügen mehr oder weniger, was machte das schon? Nicht, dass die Lügen eine große Rolle spielten, denn der Künstler sah nicht so aus, als würde er ein Wort davon glauben.
Dann tauchte Nikki wieder auf. Sie trug das glitzerndste Kleid von den Strickwaren von St. John und drehte sich hin und her.
»Nicht schlecht«, sagte der Künstler mit gelassener Anerkennung.
Danach fiel kein Wort mehr über mich oder den Zustand
meiner Ehe. Am Ende unseres Shopping-Ausflugs hatte mein Schützling acht neue Outfits und der Künstler einen schwarzen Dreireiher von Hugo Boss mit einem dunkelblauen Hemd mit Button-down-Kragen.
Alle mussten mit anpacken, das »Zeug«, wie Nikki es nannte, zum Auto zu tragen. Als wir wieder in Willow Creek waren, wusste ich, dass der Tag ziemlich erfolgreich verlaufen war. Nikki würde auf allen Events, zu denen sie von Mitgliedern der Junior League eingeladen würde, angemessen gekleidet sein, einschließlich ihrer Party, die schon bald stattfinden würde.
Aber ich dachte nur an die drei Worte, die der Künstler in dem Moment sagte, als ich meine Autotür schließen wollte.
»Ich mache mit.«
»Wobei?«
»Bei Ihrer Ausstellung.«
15
Jedes aktive Mitglied der JLWC muss in jedem Jahr einhundert Stunden ehrenamtliche Tätigkeiten verrichten, in der Regel von September bis Mai. Zusätzlich zur Komiteearbeit müssen bestimmte Tätigkeiten oder Vermittlungsdienste erledigt werden. Am Tag nach dem Shopping-Ausflug – die Zusage des Künstlers schwirrte immer noch in meinen Gedanken herum – (und dies war wieder einmal der Beweis dafür, dass kein Mann, egal, ob homosexuell oder nicht, mir lange widerstehen konnte) fuhr ich zur JLWC-Zentrale nach Brightlee, um die versäumten Stunden nachzuholen. Sobald die Mittagspause vorbei war, wollte ich die nötigen Vorkehrungen für meine Ausstellung treffen und von Nikki alles erfahren, was sie über Sawyer Jackson wusste. Ich hatte für den Nachmittag für Nikki einen Friseurtermin bei der bekannten Eugenie Françoise vom Salon Françoise gemacht.
Aber zunächst musste ich die verlorene Zeit nachholen.
In Brightlee kam ich nicht an der missmutig blickenden Margaret Penderwelt vorbei (einer ehemaligen verdienten, ehrenamtlichen Mitarbeiterin, die jetzt Leiterin der Ehrenamtlichen war). Kleinlaut äußerte ich ihr gegenüber, dass ich hoffentlich nicht zu viel verpasst hätte. Aber sie stellte mir erst gar keine Fragen.
Brightlee hatte seinen
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