Engel auf Abwegen
Namen von Eunice Houston Brightlee, die die JLWC im Jahre 1917 gründete. Der Teeraum
war ein hübscher Ort mit einer Veranda, Holzboden und antiken Möbeln, ein Ort, wo jede Frau, die etwas auf sich hielt oder auf sich halten wollte, mittags oder nachmittags zum Tee hinging, um gesehen zu werden.
Nachdem ich meine Uniform, die aus einer bodenlangen, königsblauen Schürze mit weißer Bluse bestand, angezogen hatte, machte ich mich an die Arbeit. Ich deckte die Tische und füllte die Wasserkrüge. Zum Glück hatten wir »echtes« bezahltes Küchenpersonal, das die besten Sandwiches ohne Kruste in der ganzen Stadt zubereitete.
Ein Arbeitseinsatz konnte schön oder schrecklich sein. Angesichts der Tatsache, dass man ein ganzes Jahr lang mindestens einmal pro Woche mit derselben Gruppe von Ehrenamtlichen zusammenarbeitete, war es äußerst wichtig, mit Frauen zu arbeiten, bei denen man sich wohlfühlte. Die meisten Frauen in meiner Gruppe waren okay – das lag wohl daran, dass ich mir die Mädchen selbst ausgesucht hatte. Aber es gab eine Frau, die sich in meine Gruppe eingeschlichen hatte und ganz und gar nicht mein Fall war.
Sie hieß Winifred Opal, und kurz bevor sich um halb zwölf die Türen öffneten, kam sie zu mir an den Herd, wo ich die Warmhalteplatten meist mit Orangenguss überzogenen, süßen Brötchen belegte, die gerade frisch aus den großen Öfen gekommen waren.
»Es ist doch wirklich eine Schande«, sagte sie und griff nach der Aluminiumzange, »dass einige Leute noch nicht einmal die Höflichkeit besitzen, Bescheid zu sagen, wenn sie nicht zum Bedienen kommen können.«
Meinte Winifred Opal etwa mich damit?
Winnie war ziemlich groß, ungefähr 1,82 Meter, und nicht besonders schwer. Ihr dickes Haar war zu einem langen Zopf geflochten. Sie liebte Hunde, hatte ein dröhnendes
Lachen, und ihre Kleidung war etwas unter JLWC-Standard. Sie war nur Mitglied, weil sie eine direkte Nachfahrin von Eunice Houston Brightlee war.
Um das Mindeste zu sagen, sie war merkwürdig, was in Texas nichts Ungewöhnliches, in der JLWC aber nicht gerade üblich war. Andauernd wandte sie sich an die Medien, um Werbung für ihre Tierkampagne zu machen. Sie können sich nicht vorstellen, welchen Ärger sie verursachte, als sie vor einigen Jahren Randale gegen Pelze machte. Es ist wirklich ein Erlebnis, Winifred Opal mit einer Sprühflasche mit gelbem (sehr gelb, verursacht starke Flecken) französischem Senf zu sehen. Die Leute von PETA mit ihren Sprühdosen können noch einiges von unserer Winnie lernen. Seitdem sie Aktien von French’s Food gekauft hatte, gab es in unserer Stadt noch nicht einmal mehr Schlüsselanhänger als Glücksbringer.
»Was wir brauchen, ist frisches Blut«, fügte sie in einem Ton hinzu, der beleidigend klingen sollte.
Ich wurde sehr schweigsam, dann drehte ich mich langsam herum, um sie anzusehen, während meine Gedanken erstarrten. Frisches Blut?
»Sie haben ja so recht. Natürlich brauchen wir frisches Blut. Ich habe meiner Mutter soeben genau das Gleiche erzählt. Sie sind genial!«
Winifred sah mich voller Entsetzen an. Ob merkwürdig oder nicht, jedenfalls bekam sie die Möglichkeit, jemanden zu sponsern – und das war Nikki Grout.
»Wissen Sie, Winnie, wir verbringen einfach nicht genug Zeit zusammen.«
Sie stand reglos da und hielt ein vor Fett triefendes süßes Brötchen an der langen silbernen Zange in die Luft. »Ich? Mit mir?«
»Natürlich, Winnie. Wir hatten nie die Gelegenheit, uns gegenseitig zu besuchen. Es wird Zeit, dass wir uns kennenlernen. Ich könnte Sie anrufen, und wir vereinbaren einen Zeitpunkt, damit wir uns mal länger miteinander unterhalten.«
Wir machten die Brötchen fertig, und ich versichere Ihnen, dass Winnie die ganze Zeit über lächelte. Sie schrie keinen einzigen Gast an, was in der JLWC äußerst positiv aufgenommen wurde.
Im Teezimmer war an jenem Tag eine Menge zu tun, und ich kam erst gegen drei Uhr aus Brightlee heraus. Zwar war ich in zehn Minuten zu Hause, aber ich musste mich dennoch beeilen, wenn ich mich vorher noch duschen und es rechtzeitig zu Nikkis Friseurtermin schaffen wollte. Sobald ich dort ankam, legte ich sofort los.
»Also, sag mir, Liebes, was weißt du über Sawyer Jackson?«
Beinahe hätte ich es nicht rechtzeitig zum Friseurtermin beim Salon Françoise geschafft, wo ich Nikki treffen wollte. Aber ich schaffte es dennoch, und wir tranken rosa Limonade aus (unechten) Kristallbechern, während wir auf Eugenie, die
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