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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla L�ckberg
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das Herz auch dann schwer, wenn er den Bruder sah. Den jüngeren, der immer so ernst war. Erik. Er war zwar nie ein Spaßvogel gewesen, doch seit Axels Verschwinden war er noch stiller geworden. Er hatte sich vorgenommen, Elsy zu sagen, dass sie nicht so viel Zeit mit Erik und Frans verbringen sollte. Nicht, dass er etwas gegen Erik gehabt hätte. Der Junge hatte freundliche Augen. Mit Frans war das anders. Der hatte ein richtiges Backpfeifengesicht. Besser konnte er ihn nicht beschreiben. Doch keiner von beiden war eine geeignete Gesellschaft für Elsy. Sie gehörten zwei verschiedenen Klassen an. Sie waren ganz andere Menschen. Er und Hilma hätten genauso gut auf einem anderen Planeten als die Frankels oder Ringholms geboren sein können. Ihre Welten hätten sich nie berühren sollen. Dabei konnte nichts Gutes herauskommen. Als sie klein waren und Räuber und Gendarm oder Fangen spielten, hatte er ein Auge zugedrückt, aber nun waren sie älter. Es würde nicht gutgehen.
    Hilma hatte ihn mehrmals darauf hingewiesen und gebeten, mit dem Mädchen zu reden. Aber noch hatte er sich kein Herz gefasst. Der Krieg machte alles schwer genug. Freunde waren vielleicht der einzige Luxus, den die heutige Jugend sich gönnte. Wie konnte er Elsy diese Freude auch noch wegnehmen? Über kurz oder lang musste er es tun. Jungs waren eben Jungs. Bald würden aus Ringel, Ringel, Rosen und Versteckspielen heimliche Umarmungenwerden, das wusste er aus Erfahrung. Er war schließlich auch einmal jung gewesen, auch wenn das eine Ewigkeit her zu sein schien. Nicht mehr lange, dann wurde es Zeit, die beiden Welten sauber zu trennen. So war es, und so musste es auch bleiben. Man konnte die Ordnung nicht auf den Kopf stellen.
    »Käpt’n! Das muss er sich angucken!«
    Elof wurde aus seinen Gedanken gerissen. Er blickte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Einer seiner Männer winkte ihm eifrig zu. Mit gerunzelter Stirn ging Elof zu ihm. Sie befanden sich auf dem offenen Meer und hatten noch einige Stunden vor sich, bevor sie in den Hafen von Fjällbacka einliefen.
    »Wir haben noch jemanden an Bord«, sagte Calle Ingvarsson trocken und zeigte auf den Laderaum. Elof blickte verwundert hinein. Hinter den Säcken kauerte ein Jüngling, der nun vorsichtig aus seinem Versteck kroch.
    »Ich habe ihn gefunden, weil mir ein Geräusch aufgefallen war. Er hat so laut gehustet, dass ich mich frage, warum wir ihn nicht bis an Deck gehört haben.« Calle steckte sich ein bisschen Snus unter die Lippe und verzog angewidert das Gesicht. In Kriegszeiten bekam man nur einen unbefriedigenden Ersatz.
    »Wer bist du und was machst du auf meinem Schiff?«, fragte Elof barsch. Er überlegte, ob er Verstärkung rufen sollte.
    »Ich heiße Hans Olavsen und bin in Kristiansand an Bord gegangen«, sagte der junge Mann in klangvollem Norwegisch. Er stand auf und streckte die Hand aus. Nach kurzem Zögern griff Elof zu. Der Junge sah ihm direkt in die Augen. »Ich habe gehofft, dass ich mit nach Schweden fahren darf. Die Deutschen haben … Sagen wir so: Wenn mir mein Leben lieb ist, kann ich nicht in Norwegen bleiben.«
    Elof stand eine Weile schweigend da und überlegte. Er mochte es nicht, so hinters Licht geführt zu werden. Aber andererseits. Was war dem Jungen übriggeblieben? Hätte er sich in Gegenwart der deutschen Patrouillen vor ihm aufstellen und ihn höflich bitten sollen, ihn nach Schweden mitzunehmen?
    »Woher kommst du?«, fragte er schließlich und musterte ihn von Kopf bis Fuß.
    »Aus Oslo.«
    »Warum kannst du nicht in Norwegen bleiben? Was hast du getan?«
    »Man redet nicht über die Dinge, zu denen man während des Krieges gezwungen wurde.« Ein Schatten legte sich über seine Züge. »Man könnte es so ausdrücken: Die Widerstandsbewegung hat keine Verwendung mehr für mich.«
    Bestimmt hat er Leute über die Grenze gebracht, dachte Elof. Das war eine gefährliche Arbeit. Wenn die Deutschen einem auf die Schliche kamen, tat man gut daran zu verschwinden, solange man noch am Leben war. Elof merkte, dass sein Herz weich wurde. Er dachte an Axel, der so oft nach Norwegen gefahren war, ohne an die möglichen Folgen für sich persönlich zu denken, und auch den Preis dafür gezahlt hatte. War er etwa schlechter als der neunzehnjährige Sohn vom Herrn Doktor? Sein Entschluss stand fest.
    »Nun gut. Wir fahren nach Fjällbacka. Hast du etwas zu essen bekommen?«
    Er schüttelte den Kopf und schluckte. »Nein. Seit vorgestern nicht. Die

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