Engel aus Eis
ernsthafte Verletzungen davongetragen.«
»Was …« Kjell schien Schwierigkeiten zu haben, die Neuigkeiten zu verarbeiten. »Warum haben Sie mich nicht schon früher benachrichtigt? Der Vorfall scheint doch schon ein paar Stunden her zu sein.«
»Per wollte, dass wir seine Mutter anrufen. Sie kam in die Dienststelle und war während des Verhörs dabei. Anschließend durfte er mit ihr nach Hause gehen.«
»Tja, die familiäre Situation ist nicht gerade optimal, wie Ihnen vielleicht aufgefallen sein dürfte.« Kjell sah Paula und Martin durchdringend an.
»Da wir im Laufe des Verhörs gemerkt haben, dass es gewisse … Probleme gibt«, Martin zögerte, »haben wir das Jugendamt gebeten, sich ein Bild zu machen.«
Kjell seufzte. »Ich hätte das längst angehen sollen … aber es kam dauernd etwas dazwischen … Ich weiß nicht …« Er starrte ein Foto auf seinem Schreibtisch an, auf dem eine Frau und zwei Kinder knapp unter zehn abgebildet waren. Eine Weile war es still.
»Was passiert jetzt?«
»Der Staatsanwalt wird sich seine Meinung bilden und dann entscheiden, wie es weitergeht. Sie dürfen die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
Kjellwinkte ab. »Das weiß ich. Glauben Sie mir, ich nehme das nicht auf die leichte Schulter, ich würde nur gerne etwas konkreter von Ihnen wissen, womit Sie rechnen …« Er warf noch einen Blick auf das Bild, bevor er wieder die Polizisten ansah.
Paula beantwortete die Frage. »Schwer zu sagen. Ich würde auf ein Heim für Schwererziehbare tippen.«
Kjell nickte resigniert. »Das ist wahrscheinlich das Beste. Per macht schon so lange … Schwierigkeiten, und er würde vielleicht endlich den Ernst der Lage begreifen. Er hat es nicht leicht gehabt. Ich war nicht so für ihn da, wie ich es hätte sein sollen, und seine Mutter … Das haben Sie ja mit eigenen Augen gesehen. Aber sie war nicht immer so. Die Scheidung hat ihr …«, seine Stimme überschlug sich, und er blickte wieder das Foto an, »ziemlich zu schaffen gemacht.«
»Da wäre noch etwas.« Martin beugte sich nach vorn und betrachtete Kjell.
»Ja?«
»Im Laufe des Verhörs stellte sich heraus, dass Per im Juni einen Einbruch verübt und der Besitzer, Erik Frankel, ihn ertappt hat. Offenbar wissen Sie von diesem Ereignis?«
Eine Sekunde lang war Kjell vollkommen still, doch dann nickte er leicht.
»Das ist richtig. Erik Frankel rief mich an, nachdem er Per in der Bibliothek eingesperrt hatte, und ich bin sofort hingefahren.« Er lächelte gequält. »Es war wirklich lustig, Per zwischen all diesen Büchern zu sehen. Wahrscheinlich war es seine erste Berührung mit diesem Medium.«
»An Einbrüchen kann ich nichts Amüsantes erkennen«, erwiderte Paula trocken. »Das hätte übel ausgehen können.«
»Ich weiß, Entschuldigung. Ein schlechter Scherz«, lächelte Kjell schuldbewusst.
»Erik und ich waren uns einig, dass man die Angelegenheit nicht an die große Glocke hängen sollte. Erik meinte, der kleine Denkzettel würde genügen, und Per würde so etwas in nächster Zeit nicht wieder tun. Das war alles. Ich habe Per die Leviten gelesen, und …« Er zuckte hilflos mit den Achseln.
»Offenbar haben Sie und Erik Frankel noch über etwas anderes als den Einbruch gesprochen. Ihr Sohn hat Erik sagen hören, er habe Informationen, die für Sie als Journalisten von Interesse sein könnten. Sie haben vereinbart, sich noch einmal zu treffen. Klingelt da etwas?«
Es wurde mucksmäuschenstill. Dann schüttelte Kjell den Kopf. »Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Das hat Per sich entweder ausgedacht oder möglicherweise völlig missverstanden. Wir sprachen darüber, dass ich mich melden könnte, falls ich Hintergrundwissen über den Nazismus bräuchte.«
Martin und Paula sahen ihn skeptisch an. Keiner von beiden glaubte ihm ein Wort. Es war offensichtlich, dass er log, aber sie konnten es nicht beweisen.
»Wissen Sie, ob Ihr Vater und Erik Kontakt hatten?«, fragte Martin am Ende.
Kjells Schultern entspannten sich ein wenig. Er schien erleichtert, dass sie das Thema wechselten.
»Soweit ich weiß, nicht. Andererseits habe ich keinen Überblick über die Aktivitäten meines Vaters und möchte das auch gar nicht. Sie interessieren mich nur insofern, als sie meine Artikel betreffen.«
»Ist es nicht ein merkwürdiges Gefühl«, fragte Paula neugierig, »seinen Vater öffentlich anzuprangern?«
»Gerade Sie sollten verstehen, wie wichtig es ist, aktiv gegen die Fremdenfeindlichkeit
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