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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla L�ckberg
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das Telefon aus der Tasche und blickte auf das Display. Diese Nummer kannte er. Axels Festnetz. Er schaltete das Mobiltelefon aus.
    »Entschuldigung, wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, wir befinden uns in einer exzellenten Ausgangslage, um die Ignoranz der Gemeinde in Bezug auf die Flüchtlingsproblematik auszunutzen …«
    Er redete weiter. Alle am Tisch hingen an seinen Lippen, doch seine eigenen Gedanken wanderten in eine ganz andere Richtung.
    Selbstverständlich hatte er sich gegen die Mathestunde entschieden. Dieses Fach war am schlimmsten. Zahlen und so Sachen machten ihn ganz kirre. Da kam er einfach nicht mit. Sobald er versuchte, etwas zu addieren oder abzuziehen, war in seinem Kopf nur noch Brei. Wozu musste er überhaupt rechnen können? Er würde ohnehin nie etwas mit Wirtschaft oder ähnlich langweiligen Dingen machen. Es war also Zeitverschwendung, dafür zu schwitzen.
    Per zündete sich eine Zigarette an und blickte über den Schulhof. Die anderen waren zu Hedemyrs gegangen und wollten vielleicht etwas klauen, aber er hatte keine Lust. Er hatte bei Tomas übernachtet und bis fünf Uhr morgens »Tomb Raider« gespielt. Seine Mutter hatte mehrmals auf dem Handy angerufen, aber irgendwann hatte er das Ding einfach abgeschaltet. Am liebsten wäre er heute Morgen im Bett geblieben, aber Tomas’ Mutter hatte ihn rausgeschmissen, als sie zur Arbeit musste.In Ermangelung besserer Vorschläge waren sie also zur Schule gegangen.
    Nun wurde er richtig müde. Vielleicht hätte er die anderen doch begleiten sollen. Er stand auf und wollte hinter ihnen herschlendern, setzte sich jedoch wieder, als er Mattias mit dieser langweiligen Mia im Schlepptau aus dem Schulgebäude kommen sah. Was an diesem blonden Luciatyp so toll sein sollte, hatte er nie begriffen.
    Er spitzte die Ohren, um mitzubekommen, worüber sie redeten. Mattias bestritt das Gespräch größtenteils allein, und Mia fand das, was er ihr erzählte, offenbar wahnsinnig spannend, denn sie lauschte ihm mit weit aufgerissenen, babyblauen und sorgfältig geschminkten Augen. Als sie näher kamen, konnte Per einzelne Bruchstücke verstehen. Er gab keinen Mucks von sich. Mattias war so damit beschäftigt, Mia an die Wäsche zu gehen, dass er Per überhaupt nicht bemerkte.
    »Du hättest sehen sollen, wie blass Adam wurde, als er ihn gesehen hat. Ich dagegen wusste sofort, was zu tun war. Ich habe zu Adam gesagt, er soll langsam rückwärts gehen, damit wir keine Spuren zerstören.«
    »Oh …«, staunte Mia.
    Per lachte in sich hinein. Mattias lag gut im Rennen. Ihr Höschen war bestimmt schon ganz feucht.
    »Das Coole ist, dass sich außer uns niemand hingetraut hat. Die anderen haben ziemlich oft darüber geredet, aber du weißt ja, eine große Klappe haben viele, aber sich wirklich zu trauen …«
    Per hatte genug gehört. Er sprang von der Bank auf und rannte Mattias hinterher. Bevor der wusste, wie ihm geschah, hatte Per sich von hinten auf ihn gestürzt und ihn zu Boden geworfen. Er setzte sich auf seinen Rücken, bog einen Arm nach hinten, bis Mattias vor Schmerz schrie, und riss an seinen Haaren. Diese alberne Surferfrisur war dafür wie geschaffen. Zielstrebig zog er Mattias’ Kopf in die Höhe und schlug ihn auf den Asphalt. Dass Mia wenige Meter entfernt stand und laut schreiend ins Schulgebäude rannte, um Hilfe zu holen, ignorierte er. Er ließ Mattias’ Kopf noch einmal auf den harten Boden knallen und zischte: »Was redest du da für eine Scheiße! Du bist ein kleines StückScheiße, und du brauchst nicht zu glauben, dass du hier machen kannst, was du willst, du kleiner … Loser …«
    Per war so wütend, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Alles um ihn herum verschwand. Er fühlte nur noch Mattias’ Haare und die Stöße, die jedes Mal durch seine Hand gingen, wenn der Kopf auf den Asphalt prallte. Er sah nur noch das Blut, das den Boden dunkel färbte. Die rote Farbe löste ein Wohlgefühl in ihm aus, das bis tief in seine Brust reichte. Es liebkoste ihn und schenkte ihm eine Ruhe, die er selten spürte. Er kämpfte nicht gegen den rasenden Zorn an, sondern ließ sich davon ganz ausfüllen, er gab ihm gierig nach und genoss das rauschhafte Empfinden, dass etwas Primitives in ihm alles andere verdrängte, all das Komplizierte, Traurige und Kleine. Er wollte – und konnte gar nicht mehr aufhören. Er schrie und schlug weiter, und jedes Mal, wenn er Mattias’ Kopf hochriss, sah er das Rote, Klebrige und Feuchte … bis ihn jemand von

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