Engel aus Eis
an Göstas Tür. »Komm mit. Wir reden jetzt mit dem Jungen.«
Carina und Gösta gaben sich höflich die Hand, und dann begaben sich die drei in das Zimmer, wo Per saß und versuchte, einen völlig erschöpften Eindruck zu machen. Als seine Mutter eintrat, ließ er jedoch für einen Moment die Maske fallen. Es war nur ein Zucken im Augenwinkel. Ein Zittern der Hände. Danach zwang er sich wieder zu dem gleichgültigen Gesichtsausdruck und drehte sich zur Wand.
»Was hast du denn nur angestellt, Per?«, fragte Carina mit schriller Stimme, setzte sich neben ihren Sohn und wollte ihn umarmen, doch er schüttelte sie ab und gab keine Antwort.
Martin und Gösta ließen sich gegenüber von Per und Carina nieder, und Martin stellte ein Tonbandgerät auf den Tisch. Aus Gewohnheit legte er auch einen Block und einen Stift daneben. Hastig sprach er Datum und Uhrzeit auf das Band und räusperte sich.
»So. Würdest du uns bitte erzählen, was passiert ist? Mattias wird übrigens gerade von einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Falls es dich interessiert.«
Per grinste nur. Seine Mutter stieß ihm den Ellbogen in die Seite.
»Du musst jetzt antworten. Natürlich interessiert es dich! Oder nicht?« Wieder überschlug sich ihre Stimme, und der Sohn weigerte sich noch immer, sie anzusehen.
»Lassen Sie Per antworten.« Gösta warf Carina einen beruhigenden Blick zu.
Sie mussten eine Weile warten. Dann warf der Fünfzehnjährige den Kopf in den Nacken.
»Mattias hat ziemlichen Scheiß erzählt.«
»Was meinst du damit?«, fragte Martin freundlich. »Könntest du dich etwas präziser ausdrücken?«
Wieder war es still. »Er wollte sich bei Mia einschleimen, dem hübschesten Mädchen der Schule, Typ Lucia, Sie wissen schon, und ich habe gehört, wie wahnsinnig mutig er und Adam zu demHaus von diesem Alten gegangen sind und die Leiche angeguckt haben, und dass sich das angeblich sonst niemand getraut hat. Was soll das? Die hatten die Idee doch erst, nachdem ich dort gewesen war. Die haben Bauklötze gestaunt, als ich von seinen coolen Nazisachen erzählt habe. Vorher hätten diese Schwachköpfe sich das nie getraut.«
Per lachte, und Carina blickte beschämt auf die Tischplatte. Es dauerte einige Sekunden, bis Martin begriffen hatte, was der Junge da sagte.
»Meinst du das Haus von Erik Frankel? In Fjällbacka?«
»Ja, der Alte, dessen Leiche Mattias und Adam gefunden haben. Der mit der tollen Nazisammlung.« Pers Augen leuchteten. »Eigentlich wollte ich mit meinen Freunden noch mal hingehen und einiges mitgehen lassen, aber dann kam der Typ, sperrte mich ein und rief meinen Vater an, und dann …«
»Warte mal.« Martin hielt abwehrend die Hände hoch. »Ganz langsam. Willst du damit sagen, dass Erik Frankel dich auf frischer Tat ertappt und eingesperrt hat?«
Per nickte. »Ich dachte, er wäre nicht zu Hause, und bin durchs Kellerfenster hineingeklettert, aber als ich in dem Raum mit den vielen Büchern und dem ganzen Mist war, hat er die Tür abgeschlossen. Dann musste ich ihm Papas Telefonnummer sagen.«
»Wussten Sie davon?« Martin richtete einen scharfen Blick auf Carina.
Sie nickte schwach. »Aber erst seit kurzem. Kjell, mein Exmann, hat es mir erst jetzt erzählt. Vorher hatte ich keine Ahnung. Ich verstehe auch gar nicht, warum du ihm nicht meine Nummer gegeben hast, anstatt deinen Vater mit hineinzuziehen.«
»Du hättest sowieso nichts kapiert.« Zum ersten Mal sah Per seine Mutter an. »Du liegst doch nur herum und säufst. Alles andere ist dir scheißegal. Übrigens stinkst du schon wieder nach Alkohol!« Pers Hände zitterten wieder genau wie in dem Moment, als sie ins Zimmer kam und er kurz die Kontrolle verlor.
Carinas Augen füllten sich mit Tränen. Sie starrte ihren Sohn an und sagte dann leise: »Ist das alles, was du mir zu sagen hast? Nach allem, was ich für dich getan habe? Ich habe dich geboren,dafür gesorgt, dass du etwas zum Anziehen hast, und war immer für dich da, während sich dein Vater einen Dreck um uns geschert hat.« Sie wandte sich an Martin und Gösta. »Eines Tages ist er einfach gegangen. Er hat seine Koffer gepackt und sich aus dem Staub gemacht. Hinterher stellte sich heraus, dass er eine Fünfundzwanzigjährige geschwängert hatte. Er hat mich und Per verlassen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er gründete eine neue Familie und warf uns einfach weg.«
»Das ist zehn Jahre her«, sagte Per müde. Plötzlich wirkte er viel älter als fünfzehn.
»Wie heißt
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