Engel aus Eis
würden, wenn du nicht mehr da wärst. Sie sind nur so damit beschäftigt … das zu verkraften, was Axel zugestoßen ist.«
»Es sind vier Monate vergangen, seit die Deutschen ihn geschnappt haben«, sagte Erik dumpf. »Wie lange werden sie damit noch beschäftigt sein? Sechs Monate? Ein Jahr? Zwei Jahre? Ihr ganzes Leben? Ich bin doch jetzt hier. Mich gibt es noch. Ist das denn gar nichts wert? Andererseits komme ich mir wie ein schlechter Mensch vor, weil ich eifersüchtig auf einen Bruder bin, den wir vielleicht nie wiedersehen, weil er vermutlich im Gefängnis sitzt und hingerichtet wird. Ich bin wirklich ein wunderbarer Bruder.«
»Niemand bezweifelt, dass du Axel liebst.« Elsy strich ihm über das Hemd. »Aber es ist doch kein Wunder, dass du auch wahrgenommen werden möchtest. Du willst ihnen auch etwas bedeuten. Und ich weiß, dass du es tust … aber du musst ihnen sagen, was du empfindest, damit sie dich sehen.«
»Ich traue mich nicht.« Erik schüttelte heftig den Kopf. »Stell dir vor, sie würden mich für einen schrecklichen Menschen halten.«
Elsy nahm seinen Kopf in die Hände und zwang ihn, sie anzusehen. »Jetzt hör mir zu, Erik Frankel. Du bist kein schrecklicher Mensch. Du liebst deinen Bruder und deine Eltern, aber du trauerst auch, und das musst du ihnen erklären. Du musst von ihnen verlangen, dass sie dir ein wenig Raum dafür geben. Verstanden?«
Er wollte sich abwenden, aber sie hielt ihn noch immer fest und sah ihm in die Augen.
Schließlich nickte er. »Du hast recht. Ich werde mit ihnen reden …«
Instinktiv legte Elsy die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Sie spürte, wie er sich entspannte, als sie seinen Rücken streichelte.
»Was ist hier los?« Eine Stimme hinter ihnen ließ sie erschrocken voneinander abrücken. Elsy drehte sich um und erblickte Frans,der sie mit bleichem Gesicht und geballten Fäusten anstarrte und die Frage wiederholte. Offenbar hatte er Schwierigkeiten, andere Worte zu finden. Elsy begriff, wie es für ihn ausgesehen haben musste, und wollte ihm schnell erklären, was sich abgespielt hatte, bevor seine Sicherungen durchbrannten. Sie hatte schon oft erlebt, dass sein Zorn schneller aufflammte als ein Streichholz. Irgendetwas in ihm sorgte dafür, dass er jederzeit wütend werden konnte, als warte er nur auf einen geeigneten Anlass. Sie hatte auch gemerkt, dass er eine Schwäche für sie hatte. Schließlich war sie nicht dumm. Wenn sie es nicht schaffte, ihm die Situation begreiflich zu machen, konnte das Ganze mit einer Katastrophe enden …
»Erik und ich haben uns nur ein bisschen unterhalten.« Sie sprach ruhig und vorsichtig.
»Das habe ich gesehen.« In Frans’ Augen blitzte etwas auf, das Elsy erschauern ließ.
»Wir haben über Axel geredet. Es ist so bedrückend, dass er dort ist, wo er ist.« Sie hielt seinem Blick stand. Das Wilde und Kalte ließ ein wenig nach. Sie sprach weiter.
»Ich habe Erik getröstet. Das war alles. Komm zu uns.«
Sie klopfte auf den Felsen neben sich. Er zögerte, doch seine Hände entspannten sich und die Kälte fiel von ihm ab. Er seufzte tief und setzte sich neben sie.
»Entschuldigung …«, sagte er, ohne sie anzusehen.
»Nicht so wild«, erwiderte sie, »aber du solltest keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
Frans schwieg eine Weile. Dann sah er sie an. Die Intensität der Gefühle, die sie in seinen Augen sah, machte ihr plötzlich mehr Angst als der kalte Zorn vorhin. Eine Ahnung durchzuckte sie. Das konnte nicht gut enden.
Sie dachte auch an Britta und die verliebten Blicke, die sie ihm andauernd zuwarf.
Elsy wiederholte es innerlich. Das konnte nicht gut enden.
S ie macht einen sehr netten Eindruck.« Lächelnd schob Karin den Kinderwagen mit Ludde darin vor sich her.
»Erica ist super.« Patriks Mundwinkel bewegten sich automatisch nach oben. In der letzten Zeit hatte es einige Reibereien gegeben, aber das waren Kleinigkeiten. Er war unheimlich glücklich, dass er jeden Morgen neben Erica aufwachen durfte.
»Ich wünschte, ich könnte das Gleiche von Leif behaupten«, sagte Karin. »Aber ich habe das Leben als Tanzkapellengattin wirklich langsam satt. Allerdings wusste ich, worauf ich mich einließ. Ich nehme also an, dass ich mich nicht beklagen darf.«
»Wenn man Kinder bekommt, wird alles anders.« Patriks Feststellung klang wie eine Frage.
»Ach, wirklich?«, gab Karin ironisch zurück. »Ich bin wohl naiv, aber ich hatte keine Ahnung, wie viel Arbeit das ist und was alles von
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