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Engel der Kindheit

Engel der Kindheit

Titel: Engel der Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skyla Hegelund
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dich haben wir gewartet! Hier, sieh mal, die alte Farbe muss abgeschliffen werden, bevor wir es zusammenschweißen können! Wenn nur dein Vater noch hier bei uns wäre! Keiner konnte so gut schweißen, wie er!“ Jakob gab ihm die Schleifmaschine in die Hand, die Nils gekonnt über das raue Metall gleiten ließ. All seine Kraft benötigte er, um die vibrierende Maschine an den Rumpf des Schiffes zu pressen. Die Schutzbrille vor den Augen schützte ihn vor herumfliegenden Lackteilen und Metallsplittern. Als das blanke Metall zu sehen war, nahm Jakob den Schweißbrenner, reichte Nils ein Schutzschild und begann die aufgebrochene Naht zusammenzuschweißen. Gelb weiß spritzende Funken, in gezackter Sternenform, spie das Schweißgerät millionenfach von sich.
    Pünktlich um sechs machte Nils sich auf den Heimweg. Sehnsuchtsvoll sah er den großen Containerschiffen hinterher, die im Kielwasser Richtung Nordsee fuhren, ins offene Meer, der großen weiten Welt entgegen. Zu allen Kontinenten der Erde. Australien ! Asien! Afrika! Amerika! Sehnsuchtsvoll stellte er sich die fremden Länder vor, die er nur aus seinem Lexikon kannte. Irgendwann einmal würde er sie alle bereisen! In seinen Träumen war er Kapitän eines mächtigen Fünfmasters, den er zuvor selbst entworfen hatte. Damit segelte er durch Wind und Wetter, meterhohe Wellen rissen ihn bis beinahe auf den Grund des Meeres, nur um wieder auf der Gischt zu segeln, dem Sturm zu trotzen und sicher im nächsten Hafen anzulegen.
    „Herr Keller! So kann es nicht weitergehen! Ich habe die Wundmale Ihres Sohnes gesehen! Sie wurden angezeigt! Nicht sofort, aber wenn ich weiterhin den Verdacht habe, dass Nils von Ihnen misshandelt wird, werde ich Ihren Sohn mitnehmen! Haben Sie mich verstanden?“
    Deutlich hörte Nils die letzten Worte von Frau Gärtner, als er durch die Hintertüre in die Küche trat. Still blieb er im Türrahmen stehen.
    Schwer den Kopf in die kräftigen Hände gestützt, saß sein Vater am Küchentisch. Zerzaust war das lichte, schwarzgraue Haar auf seinem Kopf, wirr stand es in alle Richtungen.
    „Haben Sie mich verstanden?“ Eindringlich redete Frau Gärtner auf ihn ein. Heimlich wischte Frau Keller sich die Tränen mit dem Zipfel ihrer Küchenschürze ab. Überprüfend tastete sie nach dem ordentlichen Knoten in ihren Haaren, den sie sich extra frisch gewickelt hatte.
    Stumm nickte Nils Vater.
    „Dann werde ich in den nächsten Wochen des Öfteren unangemeldet bei Ihnen vorbeikommen!“ Frau Gärtner erhob sich und reichte Frau Keller die Hand, die sie zur Türe brachte.
    „Gustav! Gustav! Lass es nicht zu, dass sie uns den Jungen wegnehmen!“
    Wie angewurzelt stand Nils noch immer im Türrahmen der Hintertür. Es ging um ihn, aber er wollte nicht zu dieser strengen Frau Gärtner vom Jugendamt! Auf keinen Fall wollte er seine Mutter verlassen!
    „Warum finde ich keine Arbeit? Warum möchte mich keiner mehr! Meine Hände können doch noch zupacken! Sie können alles, was Zwanzigjährige auch können!“ Verzweifelt, einen groben, harten Ausdruck auf dem gegerbten Gesicht, seine Stimme leicht lallend vom Alkoholgenuss des Tages, starrte er auf die Holzmaserung des Tisches und auf seine breiten Hände, die kraftlos darauf lagen.
    „Kümmere dich doch ums Haus! Alles verkommt und bricht zusammen!“ Mutig wagte Nils Mutter diesen Vorschlag. Ihr Mann hatte aufmerksam zugehört, was Frau Gärtner ihm gesagt hatte. Nachdrücklich hatte sie ihm Hilfe angeboten, psychische Hilfe und Unterstützung bei der Suche nach einer Arbeit. Die Anonymen Alkoholiker hatte sie ihm empfohlen und eine Entzugsklinik.
    Vielleicht würde ja alles gut werden!
    Unerwartet hob Gustav Keller schwerfällig den Kopf und blickte direkt in Nils Richtung, der noch immer regungslos im Türrahmen stand, wie wenn er seinen Geruch aufgenommen hätte.
    Drohend erhob er sich von seinem Platz und schritt schlurfend auf Nils zu, der wie angewurzelt dastand.
    „Wer hat mich eigentlich beim Jugendamt angeschwärzt? Wen geht es etwas an, was ich mit meinem missratenen Kind mache? Schließlich bist du mein Eigentum! Hast du verstanden? Du bist mein Eigentum!“ Polternd packte er Nils an seinem T-Shirt, zog ihn dicht zu sich, seine Augen starrten ihn stechend, hasserfüllt an. Markerschütternd, wie messerscharfe Pfeile, schoss seine tiefe Stimme auf Nils hernieder.
    „Sag, wer war es? Von wem wissen sie, dass mir manchmal die Hand ausrutscht? Von wem?“ Gewitterartig schrie er Nils an, der

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