Engel der Kindheit
ausgebreitet, in Stücke gerissen, vor ihm.
„Dieses romantische Gesülze wird aufhören, hast du mich verstanden!“ Eisig blickte Marie-Luise Nils an, versuchte sich, so gelassen wie möglich, ohne Gefühlsregungen aus seinem Griff zu befreien, wollte seine Hände von ihren Schultern schieben, doch es gelang ihr nicht. Wie Schraubstöcke hatte er seine Finger in ihr Fleisch gegraben.
„Wer ist diese Lena, die dir so schleimiges, rührseliges Zeug schreibt? Auf so etwas kannst du doch nicht stehen! Sonst hätte ich mich sehr in dir getäuscht!“ Anzüglich lächelte sie ihn abfällig an.
Beherrschungslos und außer sich vor Wut darüber, dass seine reine Liebe zu Lena von Marie-Luise so in den Dreck gezogen wurde, hörte Nils das schallende Geräusch, als seine Hand gegen die makellose Wange klatschte, mit all der Kraft, die er in sich aufgestaut hatte. Über Jahre hatte er jede Demütigung ertragen, hatte sich nicht ein einziges Mal gewehrt, aber das, was Marie-Luise getan hatte, war schwerer zu ertragen, als alle Misshandlungen, die er hatte über sich ergehen lassen müssen. Nie war er gewalttätig geworden, nie hatte er wilde, sexuelle Gelüste verspürt. Diese Frau weckte alle schlechten Eigenschaften in ihm, von denen er keine Ahnung gehabt hatte, dass sie überhaupt in seinem Inneren existierten. Reine und unschuldige Gefühle, die Lena ihm entgegenbrachte, waren ausgebreitet worden vor den Augen der Frau, die er ebenso hasste, wie sich selbst.
„Nicht noch einmal! Du wirst mich nicht noch einmal schlagen! Ich habe dich in der Hand, ohne mein Wohlwollen, landest du in der Gosse, vergiss das nicht!“ Zischend, wie bei einer Schlange, kamen die giftigen Worte aus ihrem Mund.
„Es ist mir vollkommen gleichgültig, was aus mir geschieht! Verschwinde von hier! Ich möchte dich nie wieder sehen! Du brauchst mich nicht hinauswerfen zu lassen, ich werde selber kündigen! Mit dir oder deinem Vater möchte ich nichts mehr zu tun haben!“ Widerwärtig schleuderte Nils sie von sich, hart prallte sie in den Gartenstuhl.
„Das wirst du nicht, mein Lieber!“ Siegessicher verzog sie ihre Mundwinkel zynisch nach oben. „Du wirst mich heiraten! Ich erwarte ein Kind von dir! Und dieser Lena wirst du schreiben, dass sie nie wieder etwas von sich hören lassen soll, hast du verstanden, nie wieder! Du gehörst mir! Nur mir!“ Stolz reckte sie ihr Kinn in die Höhe, ihre Hand tastete ihre gerötete Wange ab, zupfte einzelne Haarsträhnen zum Überdecken in ihr makelloses, frostiges Gesicht, das ihn ohne Gefühlsregung anblickte.
„Das kann nicht dein Ernst sein!“ Taumelnd setzte Nils sich aufstöhnend in den Holzstuhl, das bekannte Gefühl in ihm, einen Faustschlag genau in den Magen bekommen zu haben.
„Es ist mir sehr ernst! Wir werden nächsten Monat heiraten! Ich habe alles geplant!“ Überlegen funkelte sie ihn an, ihre schrägstehenden hellgrünen Augen schimmerten wie gefrorenes, zu Eis erstarrtes Meerwasser.
„Du bist eine eiskalte, berechnende Hexe, mehr bist du nicht! Wie soll eine solche Ehe funktionieren, die nur auf eine vorübergehende sexuelle Begierde aufgebaut ist?“ Voller Verzweiflung fuhr Nils sich durch die Haare, stützte seinen schweren Kopf in die Hände und sah sie hasserfüllt an.
„Wenn du meinst, ich möchte händchenhaltend mit dir alt werden, hast du dich getäuscht! Ich möchte meinen Spaß haben, wenn du mich nicht mehr reizt, was jetzt dann der Fall sein wird, denn, seine wir mal ehrlich, etwas mehr ungezügelte Leidenschaft könntest du zeigen, werde ich meinen Spaß woanders finden, darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen! Was ich von dir möchte, sind die Erbanlagen, die unser Sohn von dir erben wird! Nie zuvor hat es jemand gewagt, sich meinem Vater entgegenzustellen. Genauso soll unser Sohn werden! Mein Vater möchte einen Erben, den er von mir erhalten wird, dank deiner Hilfe.“ Klirrend stieß sie ein Lachen aus, das aus dem tiefsten Grund ihrer vergifteten Seele kam. „Ich habe alles von langer Hand geplant und du bist bereitwillig darauf eingegangen!“ Lässig schlug sie ihre Beine übereinander, verächtlich blickte sie ihn an, wie er in sich zusammengesunken vor ihr saß, einem Häufchen Elend gleich.
„Was bist du nur für eine Frau? Du hast nicht einen Funken Gefühl in dir, du hast kein Herz! Du bist eine berechnende Bestie! Woher soll ich wissen, dass es mein Kind ist?“ Verächtlich sah er Marie-Luise an, sah ihr wahres Gesicht, das sie
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