Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall
mit
sich fort. Dann richtete sie das Wort an Hilpert und fragte: »War es wirklich so
schlimm?«
»Wie man’s nimmt!«, seufzte Bruder Hilpert,
in sich gekehrt und noch eine Idee blasser als sonst. »Mein Fall war es jedenfalls
nicht.«
»Und das ausgerechnet von dir!«, amüsierte sich
Berengar, knapp 31 Jahre alt, beinahe sechs Fuß groß und von kräftiger Statur, die
unter seinem Leinenhemd, dem schwarzblau gestreiften Wams mit den geschlitzten Puffärmeln
und dem Überwurf aus Schaffell mehr als deutlich zur Geltung kam. »Schon vergessen,
was wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben?«
»Wie könnte ich!«, erwiderte Bruder Hilpert,
während das verschworene Trio die Heiliggeistkirche passierte und auf die Schenke
zusteuerte, wo Berengar und seine Verlobte Quartier genommen hatten. Bruder Hilpert
fand zwar, dass sich das nicht gehörte, und hätte es lieber gesehen, wenn die beiden
bis zu ihrer Hochzeit etwas mehr auf Sitte und Anstand geachtet hätten, unterließ
es aber, seinen Freund zur Rede zu stellen. »Ein Grund mehr, nach Maulbronn zurückzukehren.«
»Das ist doch wohl ein Scherz, oder? Kann es
sein, dass du deine Pflichten ein wenig zu ernst nimmst?«
»Apropos ›Pflichten‹ – hat sich das Verhältnis
zwischen deinem Herrn und dem Kurfürsten wieder eingerenkt?«
»Soweit man das sagen kann – ja. Sieht so aus,
als hätten sich die beiden zusammengerauft. Und weißt du, was das Beste daran ist?
Er hat mir bis Pfingsten freigegeben. Überaus christlich, findest du nicht auch?«
»Bis Pfingsten? Alle Achtung. Genug Zeit, um
allerlei gottgefällige Werke zu tun.«
»Du sagst es!«, pflichtete Irmingardis mit dem
für sie typischen Lachen bei und warf ihm ein strahlendes Lächeln zu, wodurch sich
die Vorbehalte, welche er in moralischer Hinsicht hegte, einstweilen in Luft auflösten.
Irmingardis war nicht nur hübsch anzuschauen, was selbst ihm, der er seine Gelübde
abgelegt hatte, nicht verborgen geblieben war, sondern trotz ihres Alters von knapp
24 Lenzen bereits eine lebenskluge und den Fährnissen des Erdendaseins in jeder
Hinsicht gewachsene Frau. Ein Blick ihrer Rehaugen, und Berengar schmolz förmlich
dahin, was Bruder Hilpert, der von der Tochter aus betuchtem Würzburger Patrizierhause
überaus angetan war, ein ums andere Mal das Herz erwärmte. Wäre er Maler oder Bildhauer
geworden und auf der Suche nach einem passenden Modell für eine Madonna gewesen,
hätte er gewusst, für wen er sich entscheiden würde. »Weshalb wir Tante Jutta, Priorin
vom Orden der Dominikanerinnen, anlässlich ihres Geburtstages am Tag der heiligen
Gertrudis einen kleinen Besuch abstatten werden.«
»Das kann ja heiter werden!«, seufzte Berengar,
dem die Aussicht auf eine Stippvisite bei Verwandten, noch dazu bei einer leibhaftigen
Priorin, überhaupt nicht zu behagen schien. Mit Ausnahme seines Freundes Hilpert
war er auf Angehörige des geistlichen Standes nicht übermäßig gut zu sprechen und
machte aus seiner Meinung auch keinen Hehl. »Eine leibhaftige Priorin – riecht ja
förmlich nach Fehdehandschuh!«
»Jutta Küchenmeister von Nordenberg?«, warf
Bruder Hilpert geistesgegenwärtig ein, im Gegensatz zu Irmingardis, die verdrossen
nach Luft schnappte, längst an Berengars Humor gewohnt. »Eine weithin berühmte und
hochgelehrte Frau!«
»Hochgelehrt? Das glaubst aber auch nur du!«,
hielt der Vogt des Wertheimer Grafen dagegen und setzte sogar noch eins drauf: »Wie
lautet doch gleich die Bauernregel? ›Gibt es an Gertruden Eis, wird’s in der Liebe
nimmer …‹«
»Welch Glück, Liebster, dass wenigstens dein
Freund die Verdienste von Tante Jutta zu schätzen weiß!«, fuhr seine Verlobte ihm
über den Mund, wohl wissend, dass Berengar nicht aus seiner Haut konnte und ihr
mit jeder Faser seines Wesens ergeben war. »Wie wäre es, wenn du die Halbschwester
meiner Mutter erst einmal kennenlernst, bevor du sie mit dem Bannfluch belegst?«
»Bleibt mir ja wohl nichts
anderes übrig«, murrte Berengar, woraufhin sich seine Miene schlagartig erhellte
und er seinen Freund, der die Neckereien seiner Begleiter mit amüsiertem Stirnrunzeln
verfolgt hatte, aus dem Augenwinkel taxierte. »Wenn wir gerade von Kennenlernen
reden – hättest du nicht Lust, uns zu begleiten, Bücherwurm? Und sei es nur, um
mir seelischen Beistand zu leisten?«
»Als ob ausgerechnet du so etwas nötig hättest.
Tut mir leid, Berengar, aber mein Entschluss steht unwiderruflich fest.«
»Papperlapapp! Schon
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