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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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nicht vergaß. In erster Linie lag dies natürlich an der Oberlippe, die
ihm seinen Spitznamen beschert hatte, darüber hinaus aber auch an seinem verstümmelten
rechten Ohr. Mit Beutelschneidern machte man eben kurzen Prozess, vor allem, wenn
sie so dreist wie Hasenscharte waren. Das hatte er auf schmerzhafte Weise erfahren
müssen. Zur Vernunft gekommen war er aber deswegen noch lange nicht. Keine Tat,
die er nicht begangen hätte, keine Gaunerei, vor der er zurückgeschreckt wäre. Unter
den Betrügern, Bettlern und Dieben der Stadt war er die unbestrittene Nummer eins,
und es gab niemanden, der ihm den Platz hätte streitig machen können. »Meinst wohl,
du könntest mir Sand in die Augen streuen. Gerade du, man stelle sich das mal vor.
Fragt sich, wer hier mehr Dreck am Stecken hat – der geschniegelte Herr Tuchscherer
oder ich.«
    »Wer hier wie viel Dreck am Stecken hat, du
Halunke, braucht dich nicht zu kümmern!«, zischte der Angesprochene, nur wenige
Schritte vom Haus ›Zur Frauenwirtin‹ entfernt, aus dessen Innerem Gelächter und
der Klang einer Fidel auf die Straße drang. Es ging auf Vollmond zu, und der Schnee
auf dem Pflaster glitzerte im fahlen Licht. »Schreib dir das hinter die Ohren –
beziehungsweise hinter das Ohr, wenn du verstehst, was ich meine!«
    »Durchaus, Hochwohlgeboren, durchaus.« Scheinbar
unbeeindruckt von Tuchscherers harschem Ton, neigte Hasenscharte den Kopf zur Seite
und taxierte ihn mit einem Blick, der an Geringschätzigkeit nichts zu wünschen übrig
ließ. Für die Kränkung, die er ihm zugefügt hatte, würde dieser Emporkömmling bezahlen.
Darauf konnte er Gift nehmen. »Fragt sich, wie es jetzt weitergehen soll.«
    »Darüber mach dir mal keine Gedanken.«
    Hasenscharte ließ seinem Hohn freien Lauf. »Na,
du machst mir vielleicht Spaß!«, prustete er, verschränkte die Arme und lehnte sich
mit dem Rücken gegen die Wand. Aus dem Schatten, in den er eingetaucht war, ragten
nur noch die schmutzverkrusteten Stiefel hervor, und seine Stimme hörte sich wie
das Knurren eines Bluthundes an. »Erst sagst du, ich soll dir diese Dirne vom Hals
schaffen, und dann tust du so, als ginge es mich nichts mehr an. Ich will dir mal
was sagen, Laurenz: Wenn du denkst, ich lasse mich nach Belieben vor deinen Karren
spannen, hast du dich geschnitten. Und zwar gewaltig. Entweder du machst jetzt ein
paar Gulden locker, oder du kannst die Kohlen in Zukunft selbst aus dem Feuer holen.«
    »Wenn du schon so gewieft bist, wie du daherredest,
warum hast du es dann nicht geschafft, diese Metze über die Klinge springen zu lassen?«
    »Hab ich dir doch gesagt, oder? Es ist was schiefgegangen.«
    »Schiefgegangen, aha. Und ich Trottel hab geglaubt,
man kann sich auf dich verlassen.«
    »Kann man auch!«, fauchte Hasenscharte, der
den neuerlichen Seitenhieb nicht auf sich sitzen lassen wollte. »Aber nur dann,
wenn es keine Zeugen gibt.«
    »Sag bloß, man hat dich erkannt!«
    »Hältst du mich für so dämlich, oder was? Natürlich
nicht.«
    »Und warum …?«
    »Weil mit dem Kerl, der mir in die Quere gekommen
ist, ganz offensichtlich nicht zu spaßen war«, würgte Hasenscharte sein Gegenüber
ab, einmal mehr in seiner Gaunerehre verletzt. »Sonst hätte ich der Dirne den Garaus
gemacht. Meinst du vielleicht, es macht Spaß, auf einem Gerüst rumzuturnen? Und
überhaupt: Was kann ich denn dafür, wenn sie auf einmal stehen bleibt! Eins ist
doch wohl klar, mein Junge. Wäre nichts dazwischengekommen, hätte der Quader, der
für sie reserviert war, garantiert Hackfleisch aus …«
    »Hätte, wäre, könnte!«, schnaubte Tuchscherer
und baute sich breitbeinig vor Hasenscharte auf. »Weißt du was, Emicho? Allmählich
hab ich dein Gewinsel satt. Erst die Ware – sprich: die Leiche –, und dann das Geld.
So ist es nun einmal guter Brauch. Und so haben wir beide es immer gehalten. Dein
Problem, wenn du dich so dämlich angestellt hast, nicht meins.«
    Emicho Lehmgruber, Hehler,
Dieb, Schmuggler und Münzfälscher in einer Person, kochte innerlich vor Wut, und
er hatte große Lust, Tuchscherer die Meinung zu sagen. Aus Gründen, die ihm selbst
nicht klar waren, gewann seine Selbstbeherrschung jedoch die Oberhand. »Mag sein!«,
katzbuckelte er, entschlossen, Tuchscherer dereinst die Rechnung zu präsentieren.
»Das heißt aber nicht, dass dir mehr Glück beschieden sein wird als mir. Für den
Fall, dass du den Mut aufbringst, die Dreckarbeit zu machen.«
    »Erstens: Was den nötigen Mumm angeht,

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