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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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die Zeit. Sechs Uhr oder vorher. Wie spät war es jetzt?
    Gregory fuhr fort: ›Du musst überlegen, du musst gründlich überlegen. Stelle es dir nur einmal vor: der Dschungel Indo-chinas mit den herrlichen Ruinen - und alle Krieg führenden Völker sind verschwunden! Stell dir die Majestät einer Stadt wie Berlin vor, ihre Reichtümer. Deutschland ist ja so reich an Schätzen aller Art. Und die, denen die Deutschen im letzten Krieg so viel angetan haben, werden froh sein, dass Deutschland nicht mehr existiert!
    All die Völker, die wir nun vernichten, haben es sich selbst zuzuschreiben! Und ich wurde geboren, es zu tun, du bist der Beweis dafür.‹
    ›Wie kannst du dir dessen so sicher sein?‹, fragte ich. ›Lässt dich meine Gegenwart nicht einmal für eine Sekunde innehal-ten?«
    ›Nein. Nicht, wenn ich mir die Welt vorstelle, wie sie nach dem
    »Jüngsten Tag« sein wird. Das Paradies. Die Erde lieblich und ruhig, Gras wächst allenthalben, und die westlichen Völker gerettet, um ganz von vorn zu beginnen, zu bewahren, Nationen wieder aufzubauen, ohne dass das Chaos der Vergangenheit sich abermals entwickeln kann. Amerika wird diese friedliche, schöne Welt kolonialisieren. Unter meiner Führung.
    Wenn die jetzige Regierung behilflich ist, ist es gut. Wir brauchen Hilfe. Wenn nicht, übernehmen wir die Regierung.«
    ›Und die Menschen in diesem Land, glaubst du, sie werden dich gewähren lassen?«
    ›Vertraue mir, sie werden sehr glücklich sein, wenn sie es erst einmal klar erkannt haben, wenn sie wissen, dass alles Alte vergangen ist, wenn sie erst wissen, dass sie in einer Welt leben, die aufs Neue ihre natürlichen Ressourcen zur Verfü-
    gung stellt, eine Welt voller Überfluss, mit schönen Monumen-ten und fruchtbaren, großartigen Flecken, die man kolonialisieren kann. Selbst unsere Afro-Amerikaner hier im Land werden glücklich sein, weil sie sich nicht mehr um Afrika sorgen müssen. Die in Amerika, die einer Minorität angehören, werden ja verschont. Und es gibt kein Volk, keine Rasse auf der Welt, die nicht in Amerika vertreten ist. Dieses Land ist die Arche Noah! Arbeite mit mir zusammen! Sie werden uns anbeten! Sie werden den auferstandenen Messias anbeten, und endlich kann er seine chassidischen Wurzeln enthüllen, und man wird alles niederschreiben und festhalten. Dies wird der Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit!‹
    Ich ließ ihn einfach reden: Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt, nichts konnte ihn aufhalten, dies war seine große Stunde.
    ›Asrael, wenn du nur wüsstest, wie sehr wir immer wieder versucht haben, diesen armen Nationen zu helfen. Du müsstest die Zustände in Bagdad und Israel gesehen haben. Du weißt nicht, wie katastrophal der Stand der Dinge ist.
    In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts hatten wir wahnsinnige Faschisten wie Hitler und Mussolini, Franco und Stalin. Wir haben gesehen, wie ihre plumpen, unfeinen Methoden versag-ten und Europa in den Abgrund stürzten. Solche Männer hat der Westen nicht wieder hervorgebracht. Nicht ein einziger westlicher Führer hat mehr die klare Sicht Francos. Man muss in so arme, zerlumpte Orte wie Bagdad gehen, um einen kleinen Diktator, Saddam Hussein, zu finden, oder auf den Balkan, wo sich die Menschen im blutigen Kampf aller gegen alle ineinander verkrallen. Selbst Russland hat keinen neuen Stalin oder Lenin oder Peter den Großen.‹
    ›Und die sind in deinen Augen große Männer?‹, wollte ich wissen. ›Die hältst du für bedeutend?‹
    ›Nein, sie waren schlecht. Sie verbreiteten Leid und vernichteten, nebenbei gesagt, Millionen Menschen. Du brauchst gar nicht zu glauben, dass Stalin weniger Menschen in den Tod trieb als Hitler. Sie alle töteten unaufhörlich. Doch auf eine rohe, sadistische, widerlich primitive Art. Ich halte sie nicht für groß.
    Der Westen wird aber heute von Leuten geführt, die in ihre eigene Falle aus Gewissen und Wohltätigkeiten gegangen sind. Sie wissen, sie müssten Irak und Iran eigentlich mit Bomben von der Landkarte fegen, aber keiner hat den Mut dazu! Jeder weiß, dass Afrika eine Brutstätte für Seuchen ist, die die ganze Welt vernichten könnten. Aber keiner hat den Mut, die Bevölkerung auszulöschen.‹
    ›Und hier? Was ist mit den Armen und Zerlumpten in diesem Land?‹
    ›Wir sitzen in der Arche, ich sagte es. In der Neuen Welt, die ich erschaffe, wird dem kleinen Anteil derer, denen bisher nicht zu helfen war, eine neue Chance gegeben. Oder sie werden

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