Engel der Verdammten
sein. Ganz gewiss.‹
›Erzähle mir mehr von dem Plan!‹, verlangte ich. ›Sag, wer weiß von ihm?‹
›Nur ein paar Leute hier wissen, dass mein Tod und die Auferstehung ein Trick sind. War es damals, beim ersten Mal, nicht auch so?‹
›Beim ersten Mal?‹, flüsterte ich. ›Wann war denn das erste Mal? Sprichst du vom Kalvarienberg? Meinst du das?‹
›Selbst die Leute, die das Gas über Indien verteilen, wissen nicht genau, was es anrichtet. Nur die Führungskräfte wissen das. Wir haben die Informationen gestaffelt. Meine Welt besteht aus Zeloten, die bereit sind, für mich zu sterben, verstehst du nicht? Für mich und für eine neue Welt zu sterben!
Nun höre mir endlich zu. Höre mich an!
Stelle dir nur die Erleichterung vor, die umgehen wird, wenn die Menschen das ganze Ausmaß des Geschehens erkennen!
Das meine ich wirklich. Denk an die Erleichterung, die alle intelligenten Amerikaner und Europäer, alle Menschen der westlichen Welt, oder wie du sie nennen willst, fühlen werden!‹
Er setzte sich wieder und beugte sich zu mir. ›Asrael, die Leute werden sich vor Freude nicht mehr zu fassen wissen, wenn das große Sterben vorbei ist. Sie werden jubeln! Nur der Westen mit all seinen Ressourcen und Reichtümern hat überlebt, sonst nichts. Armut, Krankheiten, Stammesfehden, es gibt sie nicht mehr. Sie sind weg, verschwunden! Die Erde ist frei von ihnen. Ein neuer Anfang!
Wir, der »Tempel vom Geiste Gottes«, werden alles in die Hand nehmen. Wir sind gegenüber denen in Washington, die sich uns unter Umständen widersetzen wollen, in der Über-zahl. Und an anderen Orten werden wir erst recht keine Schwierigkeiten haben. Wir wissen, was geschehen wird! Wir haben die Erfahrung. Wir werden über Funk und Fernsehen verkünden, dass der Wille Gottes geschehen sei und dass die Erde nun ein Ort des Friedens sei, befreit von den Millionen von Menschen, die über sie krochen wie Termiten, wie Parasiten.‹
›Und du glaubst, der Präsident dieses Landes wird deinem Wort folgen?‹
›Nun, möglicherweise müssen wir ihn töten. Aber wir geben ihm wenigstens eine Chance. Im Moment finde ich, er ist ein brillanter Politiker und sehr ansehnlich. Aber die Tempelbrüder in Washington stehen bereit. Dreitausend von ihnen sind in der Umgebung des Weißen Hauses und dem nicht weit entfernten Pentagon stationiert. Ich nehme an, du weißt, dass das die wichtigsten Gebäude sind. Wenn es notwendig wird, können wir die gesamte Bevölkerung Washingtons mit Gas auslö-
schen. Ich habe schon Todesqualen deswegen ausgestanden, weil ich eigentlich der Ansicht bin, man sollte das seinem eigenen Volk nicht antun.‹
›Wie barmherzig du doch bist!‹
›Nein, nur weise. Wir möchten, dass die Regierung einsieht, dass der Prophet Gregory sie, dem Willen Gottes entsprechend, verschont hat, damit sie helfen, eine neue, gerechte Weltordnung aufzubauen. Wir werden dem Präsidenten und dem Kongress Zeit lassen, sich diese leeren Kontinente vor Augen zu führen, in denen die Lilien auf dem Felde wieder in ihrer ganzen Schönheit blühen dürfen.‹
Er blickte mich beschwörend an, sichtlich und wahrhaft bewegt. Er bebte, und das nicht, weil er sich fürchtete, sondern vor Erwartung.
›Verstehst du nicht, mein Freund?‹, fragte er. ›Es ist doch genau das, was alle wollen. Wenn man am Abend den Fernseher einschaltet und den Krieg auf dem Balkan sieht, überkommt einen Verzweiflung. Nun, es wird bald keinen Krieg mehr geben. Bosnier und Serben werden gleichermaßen tot sein.
Stelle dir vor, man muss sich nie wieder wegen der Millionen zerlumpter Menschen Gedanken machen, nie wieder Hunger, Überschwemmungen, Katastrophen in Indien. Vorbei das alles. Alle die herrlichen Städte und Tempel jungfräulich und bereit, aufs Neue erweckt zu werden. Es will doch niemand mehr etwas hören von dummem Völkermord im Irak oder Straßenschlachten in Tel Aviv oder Massakern in Kambodscha. Wir sind es doch leid, den Kämpfen in der Dritten Welt zuzuschauen, während wir machtlos daneben stehen, kastriert von unserer eigenen Überlegenheit und unseren verfeinerten Werten.
Jeder will doch eigentlich das, was wir tun werden!
Genau das hätte Alexander getan! Oder Konstantin! Aber au-
ßer mir hatte niemand die Mittel, den Nerv, die Weisheit oder den Mut dazu! Ich allein werde das vollbringen! Ich werde zuschlagen, wie der Pharao es tat, als er über die kam, die ins Tal des Nils eindrangen.«
Ich sagte nichts. In meinem Kopf raste
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