Engel der Verdammten
Leichtigkeit. Von draußen drangen die Geräusche der Kamele herein, und ich hörte Rufen. In diesem Raum jedoch gab es keine lebende Seele mehr. Ich fand einen unförmigen Haufen, von groben wollenen Decken umhüllt, die ich nun zurückstieß.
Darunter entdeckte ich den Schrein mit meinen Knochen. Ich schaute hinein. Das war, ich muss es zugeben, kein Vergnü-
gen. Es brach den fröhlichen Schwung, mit dem ich getötet hatte. Ich schaute meine Gebeine an, und dann seufzte ich auf und sagte mir: ›Nun gut, du wusstest, dass du tot bist. Was soll's also?‹
Es gab noch eine Menge weiterer Schätze hier, Säcke voll. Ich sammelte alles in die Decken, umklammerte es mit beiden Armen und sagte: ›Entfernt euch, ihr Teilchen dieses Körpers, auf dass ich unsichtbar bin und flink und schnell wie der Wind, und diese Kostbarkeiten sollen sicher in meinen Armen ruhen, bis ich meinen Meister in Milet, der mich ausschickte, erreichen
Die Schätze hingen an mir wie ein Anker, ein Felsblock, der meine Reise langsam, aber genussvoll machte. Ich spürte den Aufstieg in die Wolken mit wonnigem Entzücken. Über der schimmernden See ging ich endlich langsam nieder. Deren Schönheit lahmte mich so, dass ich beinahe meine Last fallen gelassen hätte, doch dann ermahnte ich mich streng: ›Los, du Trottel, begib dich zu Zurvan! Sofort zurück zu dem Mann, der dich auf den Weg schickte.‹
Ich landete mit der Truhe im Innenhof. Dämmerung. Der Himmel erstrahlte in einem herrlich schimmernden Licht, das selbst die Wolken einfärbte. Da lag ich, in der menschlichen Gestalt, die ich offensichtlich einfach dadurch erlangt hatte, dass ich es mir wünschte; und da war der Schatz, die Truhe nun, da ich mit solcher Heftigkeit niedergefallen war, gebor-sten, und eine Schachtel mit Briefen, die sich ebenfalls geöffnet hatte.
Mein neuer Meister trat in den Garten hinaus und machte sich gleich daran, die Briefe aufzusammeln. ›Diese miesen Schweine! Das alles hatte Kyros für mich bestimmt. Ich hoffe, du hast die Kerle umgebracht!‹
›Mit Begeisterung!‹, sagte ich. Ich stand auf und nahm die halbzerbrochene Truhe mit den Knochen vom Boden, bereit, Zurvan, wenn nötig, zu helfen. Er häufte einige der weichen, anscheinend mit Juwelen gefüllten Beutel in meine Arme -
wenigstens fühlte es sich so an wie Juwelen, wenn ich mir dessen auch nicht ganz sicher war. Sonst hatte ich nichts mitgebracht, außer der Truhe und den Briefen, und die Decke warf Zurvan einfach zur Seite.
Zu meinem größten Erstaunen wehte sie, wie von einem Luftzug ergriffen, davon und verschwand mit einem knatternden Geräusch hinter der Mauer, irgendein armer, hungriger Mensch wird sie finden und etwas damit anfangen können‹, sagte Zurvan. ›Vergiss nie die Armen und Hungernden, wenn du dich von etwas trennst, das für dich unnütz ist.‹
›Und du sorgst dich wirklich um die Armen und Hungernden?‹, fragte ich. Ich folgte ihm zurück in den großen Raum, der nun von vielen Öllampen erhellt wurde. Jetzt erst bemerkte ich die Borde voller Tontafeln und die leichten hölzernen Gestelle für die Schriftrollen, die die Griechen bevorzugten, denn all dies hatte sich hinter meinem Rücken befunden, als ich mich vorhin so unaufmerksam in meinem Stuhl gelümmelt hatte.
Ich setzte die Truhe auf dem Boden ab und öffnete sie. Und da waren sie nun, die Gebeine.
Zurvan nahm die Briefe und die Juwelensäckchen mit zu seinem Tisch und setzte sich nieder. Die Briefe nahm er sich sogleich vor. Auf die Ellenbogen gestützt, las er schnell und griff nur hin und wieder nach einer der Weintrauben, die auf einer silbernen Platte neben ihm lagen. Dann öffnete er die Beutel und schüttete die Juwelen auf den Tisch. Die meisten der Schmuckstücke sahen für mich ägyptisch aus, einige wenige auch griechisch. Schließlich wandte er sich wieder den Schriftstücken zu. ›Ah‹, sagte er, ›und hier ist die kanaanitische Tontafel, auf der das Ritual vermerkt ist, das dich er-schuf. Sie ist in vier Teile zerbrochen, aber das kann man wieder zusammenfügen.‹ Er sammelte die Stücke auf und schob sie zusammen.
Ich glaube, ich fühlte mich erleichtert. Ich hatte sie ganz vergessen. Sie war nicht mehr in der Truhe gewesen. Sie war klein, dick, mit winzigen Keilschriftzeichen bedeckt und sah aus, als sei sie nie zerbrochen gewesen.
Zurvan hob plötzlich den Kopf und sagte: ›Steh nicht herum.
Es gibt viel zu tun. Los, lege die Knochen auf dem Boden aus, sodass sie eine
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