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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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die Gebeine und die Tontafel, am besten die ganze Truhe finden und alles zu mir bringen.‹
    ›So etwas kann ich?‹
    ›Gewiss. Du kamst, als ich dich rief. Geh nun zurück zu dieser Stelle, geh dorthin zurück, wo du den Ruf vernahmst. Sieh, mein Sohn, dies ist das ganze Geheimnis der Magie: Sei prä-
    zise. Sag, ich wünsche mich zu genau der Stelle zurück, von der ich kam. Auf diese Art wirst du die Räuber fassen, auch wenn sie, seit du meinen Befehl vernahmst, schon zehn Meilen weitergewandert sind. Bleibe in diesem Körper, wenn du die Diebe erreichst, und töte sie. Wenn du nicht stark genug dazu bist, wenn sie dich mit Waffen angreifen, sodass du strauchelst, wenn sie dir Beschwörungen entgegenschleudern, die dich ängstigen - doch ich sage dir gleich: Keine Beschwö-
    rung der Welt sollte den Hüter der Gebeine schrecken -, dann mache dich unsichtbar, doch nimm die Gebeine mit dir, schlinge dich um sie herum, nimm sie in dich auf wie in das Innere einer Windhose und bringe sie mir. Ich werde mir das Diebs-gesindel später vornehmen.‹
    ›Aber du zögest es vor, dass ich sie töte?‹
    ›Wüstenräuber? Ja, bringe sie alle um. Töte sie ganz einfach mit ihren eigenen Waffen. Plage dich nicht mit Magie herum, das wäre pure Kraftverschwendung. Entreiße ihnen ihre Schwerter und schlage ihnen die Köpfe ab. Du wirst ganz kurz ihre, sich vom Körper lösenden Geister sehen, herrsche sie lauthals an, das erschreckt sie; glaube mir, du wirst keine Schwierigkeiten haben. Vielleicht wird das deinen Schmerz lindern. Los, mach dich auf, hole die Gebeine und auch die Tontafel. Beeile dich.‹
    Ich stand auf.
    ›Muss ich dir auch noch erzählen, was du sagen musst?‹, sti-chelte er. ›Verlange, dass du an den Ort zurückkehrst, von dem du kamst, und dass alle Teilchen deines jetzigen Körpers auf dein Geheiß hier zur Verfügung stehen und dich wieder sichtbar und stark machen, wenn du die Stelle erreichst, an der sich auch die Gebeine befinden. Du wirst es großartig finden. Beeile dich. Ich schätze, du wirst zur Abendmahlzeit zu-rück sein. Bei deiner Rückkehr wirst du mich beim Speisen finden.‹
    ›Kann mir irgendetwas geschehen?‹
    ›Wenn du dich von ihnen so sehr einschüchtern lässt, dass du versagst, könnte ich dich verspotten‹, sagte er mit einem Schulterzucken.
    ›Könnten ihnen mächtige Geister eigen sein?‹
    ›Wüstenräubern doch nicht! Hör zu, du wirst es genießen! Oh, und ich vergaß: Wenn deine Rückkehr ansteht, machst du dich natürlich unsichtbar. Die Räuber werden alle tot sein, du wirst die Truhe innerhalb deines spirituellen Körpers befördern, wie umhüllt von einem Sturmwind. Ich möchte dich nicht in einem realen Körper mit der Truhe im Arm herumspazieren sehen. Du musst lernen, Dinge zu transportieren. Wenn dich jemand sieht, ignoriere ihn, denn du wirst aus seinem Blickfeld verschwunden sein, ehe er noch weiß, was er gesehen hat.
    Nun vorwärts mit dir.‹
    Ich machte mich auf, immenses Getöse dröhnte in meinen Ohren, und ich erschien in der ganzen Pracht meines Körpers in einem kleinen, geduckten Wüstenhaus, in dem sich eine Gruppe Beduinen um ein Feuer scharte.
    Bei meinem Anblick sprangen sie schreiend auf die Füße, wobei sie ihre Schwerter zogen.
    ›Ihr habt die Gebeine gestohlen, nicht wahr?‹, fragte ich. ›Ihr habt die Männer des Königs getötet.‹
    Nie in meinem ganzen Leben als Mensch hatte ich je solche Befriedigung verspürt; nie zuvor hatte ich mich so voller Ta-tendurst gefühlt und so gänzlich frei. Ich glaube, ich knirschte mit den Zähnen vor Wonne. Ich entriss einem von ihnen das Schwert, und es war mir ein Leichtes, sie alle, Mann für Mann, in Stücke zu hacken. Ich schlug ihnen die Hände ab, mit denen sie sich zu verteidigen suchten, ließ ein paar Köpfe rollen und stieß mit den Füßen nach ihren abgehackten Gliedmaßen.
    Der Anblick des Feuers fesselte mich. Ich ließ das Schwert fallen und marschierte mitten durch die Flammen. Ich spürte keinen Schmerz in diesem Körper, der mir den Anschein von Menschsein gab! Ich stieß einen Schrei aus, der wohl selbst in der Hölle gehört wurde. Ich war glücklich bis zur Hysterie.
    Das Haus stank nach Blut und Schweiß. Ein letztes Todesrö-
    cheln kam von einem der Opfer, dann lag es still. Die Tür flog auf, und zwei bewaffnete Beduinen drangen auf mich ein, ich griff mir den einen und drehte ihm den Hals um. Der andere sank auf die Knie, doch ich tötete ihn auf die gleiche Art - mit

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