Engel der Verdammten
ich nicht wissen; du denkst, und du bist sehr mächtig. Du bist vielleicht der vollkommenste Engel der Macht, den ich je zu Gesicht bekommen werde.
Keines der Wesen, die ich zuvor beschwor, hatte Fähigkeiten, die den deinen gleichkommen.‹
›Wer hat mich denn hergeschickt? Es war ein König‹, sagte ich. ›Doch mein Verstand ist plötzlich ganz durcheinander, und es ist so qualvoll, nichts zu wissen.‹
›Das ist die Falle, in die alle Geister gehen. Das ist es, was sie schwach macht. Man könnte sagen, es ist der Stolperstein, den Gott ihnen gelegt hat, damit sie nicht die Macht erlangen, den Menschen wirklich schaden zu können. Aber du weißt, wer dich herschickte. Denk nach! Die Antwort wird dir von selbst einfallen. Dein Erinnerungsvermögen wird langsam wieder zurückkehren und auch dein Bewusstsein. Und zuvörderst, versage dir diese rasende, brüllende Wut in deinem Innern. Ich hatte nichts mit denen zu tun, die dich verletzt, dich getötet haben. Ich habe den Verdacht, dass bei der ganzen Affäre einige Stümper am Werk gewesen sind, was ein schwächerer Geist als du sicher nicht überstanden hätte. Doch du hast es überstanden! Und der Mann, der dich hersandte?
Er tat, was du von ihm verlangtest, erinnere dich doch! Er tat, worum du ihn batest.‹
›Ach ja, König Kyros! Auf meine eigene Bitte hin sandte er mich nach Milet.‹ Plötzlich stand es mir ganz klar vor Augen, und umso klarer, je mehr ich mich bemühte, den Zorn aus mir herausströmen zu lassen wie Luft aus meinen Lungen. Ich fühlte meine Lungen sogar. Ich spürte, wie ich atmete.
›Verschwende deine Zeit nicht damit‹, sagte Zurvan. ›Wonach habe ich dich vorhin gefragt? Nach Fingernägeln, Wimpern.
Nach Details, die sichtbar sind! Innere Organe brauchst du nicht. Dein Geist füllt die perfekte Hülle aus, in der du dich befindest; niemand kann sie von einem echten Menschen unterscheiden. Verschwende deine Kraft nicht damit, dir ein Herz, Blut oder Lungen zu schaffen, nur um dich menschlich zu fühlen. Das ist dumm und albern. Nur selten besteht die Notwendigkeit, ein wenig Blut aus deinem Körper rinnen zu lassen. Das ist eine Kleinigkeit für dich. Nur verzehre dich nicht nach deinem menschlichen Körper. Du bist besser dran jetzt.‹
›So?‹, fragte ich. Einen Fuß auf mein Knie gelegt, flegelte ich immer noch in dem Stuhl, während dieser ältere, weise Mann mein arrogantes Benehmen hinnahm. ›Bin ich gut, oder bin ich etwa für das Böse geschaffen? Du sprachst von einem übermächtigen Engel. Ich hörte auch den König dieses Wort benutzen. Aber »Dämon« sagte er auch. Oder sagte das jemand anders?‹
Zurvan stand gelassen mitten im Zimmer, wippte ein wenig vor und zurück und begutachtete mich mit zusammengekniffenen Augen.
›Ich habe so eine Ahnung‹, sagte er, ›dass du sein wirst, was du sein willst, obwohl mancher sicher versuchen wird, dich zu dem zu machen, was er will. In dir ist so viel Hass, Asrael, so viel Hass.‹
›Das stimmt. Ich hasse tatsächlich. Ich sehe einen brodelnden Kessel vor mir, und ich fühle Entsetzen, das von Hass überlagert wird.‹
›Nie wieder wird man dir solchen Schmerz zufügen können.
Und denke daran, du erhobst dich aus jenem Kessel, nicht wahr? Fühltest du, wie das Gold dich verbrühte?‹
Ich bebte am ganzen Körper. Tränen stiegen mir in die Augen.
Nicht einmal jetzt kann ich es ertragen, davon zu sprechen, und ich wollte nicht zu ihm darüber reden. ›Ich fühlte es für einen kurzen Moment‹, sagte ich, ›einen Moment nur, und dazu die Erkenntnis, wie es sein würde, dann zu vergehen, unter diesen Qualen zu sterben. Ich spürte es ... spürte, wie es durch eine Art Überzug drang, der auf meinem Körper haftete, durch eine Art dicker, erstickender Rüstung; aber an einer Stelle spürte ich den Schmerz besonders heftig ... an meinen Augen.‹
›Ah, ich verstehe. Nun, jetzt sind deine Augen in Ordnung. Ich brauche die Tontafel, diese kanaanitische Schrift, die dich zu-rück ins Leben rief. Ich brauche die Knochen.‹
›Hast du sie nicht hier?‹
›Zur Hölle, nein‹, gab er zurück. ›Ein paar Idioten haben sie gestohlen. Wüstenräuber. Sie stürzten sich auf Kyros' Männer, machten sie nieder, nahmen ihnen jedes bisschen Gold, das sie bei sich trugen, und verschwanden mit der Truhe. Sie denken, die Knochen seien aus purem Gold. Nur einer der Perser überlebte und erreichte ein nahes Dorf. Man schickte eine Botschaft. Nun ist es an dir, du musst
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