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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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große, handtuchbreite Blätter und schichtete sie vor einer Gruppe Frauen auf, die aus ihnen Matten flochten, mit denen man die Dächer decken konnte.
    Die beste Idee hatte der Prediger Manoron beigesteuert. Er hatte einen Teil seines Kirchenchores versammelt und ihn durch Sänger aus der buddhistischen Fakultät verstärkt. Mit diesem Chor, meistens Mädchen oder Lepröse, die mit ihren bereits zerstörten Fingern keine nützliche Arbeit mehr leisten konnten, zog er im Dorf herum und ließ Kirchenlieder singen, abwechselnd christliche und buddhistische Gesänge. Das feuerte die Müden wieder an, sie sangen mit, und bald war das ganze Dorf ein großer lärmender Haufen, und es erklang ein Konzert aus Gesang und Axtschlägen, Hämmern und Sägen.
    Dr. Haller war nahe daran, zu heulen. Er umarmte Minbya, er stand unter den ameisenhaft arbeitenden Leprösen und biß sich auf die Lippen, als der Chor zu singen begann: »Bis hierher hat mich Gott geführt in seiner großen Güte …« Und er ging die Feuerwand entlang zum Dschungel und schleppte, einen nach dem anderen, vier Baumstämme ins Dorf.
    Dort traf er Donyan, der schnapsselig, und daher ohne Angst vor Infektion, durch Nongkai wanderte und einigen Mädchen frivole Worte zurief.
    »Sie sind kein Engel, sondern ein Teufel, Doc!« sagte er und hakte sich bei Haller unter. »Einem Engel wäre es nie gelungen, Taikky derart zu verstören. Er sitzt in seinem Korbsessel und versteht die Welt nicht mehr. Wer gestern noch halbtot war, klettert heute herum und baut Hütten. Wer zu schwach war, eine Hühnerfeder zu halten, schwingt heute einen Hammer. Wie machen Sie das, Doc?«
    »Ich mache gar nichts, Major.« Haller wischte sich über das Gesicht. »Ich bin mehr überwältigt als jeder von Ihnen. Ausgestoßene, Sterbende geben mir mein Selbstvertrauen zurück. Wer kann das begreifen? Ich richte mich auf an diesen Kranken, ich beginne neu zu leben bei diesen Verfaulenden.« Er blieb vor dem Hospital stehen. Im OP brannte Licht. Dr. Adripur arbeitete mit Bettina und Siri seit drei Stunden. Karipuri ließ sich nicht blicken. »Ich werde diese Menschen nie mehr verlassen, Donyan. Das können Sie allen sagen, ob sie es gern hören oder nicht. Heute morgen war ich bereit, alles hinzuwerfen. Sie wissen warum.«
    »Die Brüder Khawsa.« Donyan lächelte. »Die Sache ist geregelt. Sie sind als normal an der Lepra Gestorbene abgebucht worden. Die ganze Angelegenheit endete bei mir auf dem Schreibtisch.«
    »Wieviel zahlt Ihnen Taikky?«
    »Dreitausend im Monat«, sagte Donyan ohne Zögern.
    »Sie sind verblüffend ehrlich, Major«, sagte Haller. »Wollen Sie mich zu Ihrem Komplizen machen?«
    »Das sind Sie schon, Doc.« Der Major lachte laut.
    »Und wer sollte mich schmieren?«
    »Ich.«
    Haller blieb ruckartig stehen. »Sie? Donyan, Sie sind total besoffen.«
    »Im Gegenteil. Ich bin klar wie die Sterne.« Der Major zeigte in den glitzernden Nachthimmel. »Man hat mir zehntausend geboten, wenn ich Sie elegant umbringe. Wir stehen hier im tiefsten Schatten vor dem Hospital. Wir sind allein. Wenn ich Ihnen jetzt blitzschnell einen Dolch in den Rücken stoße, hört und sieht es keiner. Bis man Sie findet, sitze ich längst bei Taikky am Tisch und werde eine strenge Untersuchung einleiten.«
    Haller blieb starr stehen. Er spannte jeden Muskel und wartete.
    »Bitte, bedienen Sie sich, Major«, sagte er langsam.
    »Wieso denn? Ich verzichte auf die zehntausend. Ich lasse Sie leben. Das meinte ich eben: Ich habe Sie korrumpiert, ob Sie wollen oder nicht. Sie schulden mir zehntausend.«
    »Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe«, sagte Haller.
    »Sie sind eben im Dschungel, Doc.« Donyan klopfte ihm auf die Schulter. Einen Augenblick dachte Haller: Jetzt sticht er zu. Aber Donyans Hand war leer. »Daran sollten Sie immer denken: Wer hier lebt, muß etwas ungewöhnliche Moralbegriffe haben. Wir sind alle Freunde, solange wir uns gegenseitig gebrauchen können.«
    Er umarmte Haller, hauchte ihn mit seinem Schnapsatem an und schwankte zurück zur Verwaltung.
    In der Nacht kam Siri zu Haller ins Bett; müde, schweigsam, schmiegte sie sich wie eine Katze an ihn und schlief ein.
    Nebenan warf sich Adripur seufzend auf sein Lager und rauchte noch eine Zigarette. Haller roch es durch die Wand hindurch.
    »Sie sollen nicht rauchen, Sabu!« sagte Haller laut. »Ihre Lunge ist ein Fetzen.«
    »Ich habe jetzt fünf Stunden ohne Pause gearbeitet. Diese Zigarette ist Medizin.«
    »Haben

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