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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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sagte Connelly. Er wollte noch mehr sagen, aber dann schaute er zu mir herüber und merkte, dass ich zuhörte.
    Er blinzelte Phil an und schüttelte den Kopf. Danach redeten sie nicht mehr.
    Nach etwa einer Stunde schliefen sie. Mir schien das keine gute Idee, aber sie lehnten sich so aneinander, dass sie sich gegenseitig wärmten. Ich konnte sie schließlich nicht die ganze Nacht hindurch wach halten. Auch ich rang mit der Müdigkeit, vielleicht würde ich selbst einschlafen. Beide atmeten geräuschvoll, ich brauchte also nur auf ihren Atem zu achten.
    Mir kam es vor, als wäre mein Kopf ein Stein, der auf einem anderen Stein balanciert. Ich fühlte mich wie ein Läufer, der drei Monate lang gerannt war und beim Einlauf ins Stadion feststellen muss, dass kein Zielband da ist, sondern der Lauf einfach weitergeht.
    Paul schien das Bewusstsein verloren zu haben, er zitterte am ganzen Körper. Ich hatte immer noch die Pistole in der Hand, und mich überkam der Gedanke, dass Nina sicherlich nicht genau wusste, wie viele Kugeln Paul im Körper hatte. Eine Kugel mehr würde gewiss unbemerkt bleiben. Vielleicht lag ja der Schlüssel zum Finden der Ziellinie in meiner rechten Hand. Der Fangschuss für Paul war vielleicht der einzige Weg für mich, alles zu einem Ende zu bringen.
    Ich setzte mich leise auf und schob mich näher an ihn heran.
    Ein Schuss.
    Der Knall würde die anderen aufwecken, aber ich konnte sagen, dass er sich bewegt habe.
    Ich wusste, warum Nina mich gebremst hatte. Sie wollte nicht, dass ich ihn kaltblütig umbringe. Sicherlich glaubte sie auch, dass die Angehörigen der uns bekannten Opfer des Upright Man – die Eltern der Mädchen, die zwei Jahre zuvor in L.A. entführt worden waren – sowie aller anderen, die er auf dem Gewissen hatte und für die es Indizien gab, ein Recht hatten, mehr über den Mörder zu erfahren als die Nachricht, ihn habe irgendwo in der Wildnis die tödliche Kugel ereilt. Ich wusste, dass Nina nur dank diesem Gerechtigkeitsglauben so viele Jahre in ihrem Beruf durchgehalten hatte, wohl wissend, dass für jeden Schwerverbrecher, den sie ins Gefängnis brachte, neue auftauchen und an dessen Stelle treten würden. Sicher, wir hatten die Ereignisse in The Hall geheim gehalten, aber damals hatten wir auch keinen Gefangenen in der Hand gehabt.
    Am Ende steckte ich nicht wegen solcher Überlegungen die Pistole wieder in die Tasche. Ehrlich gesagt weiß ich bis heute nicht, warum.
    Ich stand auf und zog Ninas Mantel aus. Ich legte ihn über Pauls zitternden Körper und stopfte ihn seitlich fest. Sein Gesicht war kreideweiß, die Lippen bläulich.
    Plötzlich kamen mir die Tränen.
    Dann, ich weiß nicht, warum, setzte ich mich neben ihn, legte seinen Kopf in meinen Schoß, wo es wärmer war, und legte meine Arme um ihn.
    Ich verstand mich selber nicht. Ich wusste doch, wie viele Menschen er umgebracht hatte und dass er nicht gezögert hätte, Nina, John und mich umzubringen. Und trotzdem.
    Nach einer Weile wachte Connelly auf, sagte aber nichts. An die Felswand gelehnt, schlief ich ein. Immer wieder von Krämpfen geschüttelt schlief ich doch weiter, bis mich ein unbekannter Lärm und ein starker Wind über mir weckten.
    Ich öffnete die Augen und sah, wie Connelly und Phil sich gegenseitig beim Aufstehen halfen. Im Licht des Scheinwerfers beobachteten sie, wie eine Trage aus dem Hubschrauber zu ihnen hinabgelassen wurde.
    Ich war der Letzte, den man nach oben zog, der Letzte, der diesen eisigen Ort verließ. Ich hatte rasende Kopfschmerzen und konnte vor Müdigkeit kaum geradeaus sehen. Als auch ich, auf der Trage liegend, durch Schneegestöber und Wind hinauf in den knatternden Lärm des Hubschraubers gezogen wurde, hatte ich nur den einen Gedanken durchzuhalten.
    Ein einziges Mal schaute ich aus Unbedachtheit nach unten. Dabei hatte ich für einen Augenblick den befremdlichen Eindruck, unten in der Schlucht eine Gruppe von Gestalten zu sehen, die zuschauten, wie ich in den Himmel hinaufgezogen wurde. Ich kniff die Augen zusammen und schaute genauer hin, doch mehr war nicht zu erkennen. Dichtes Schneetreiben verhinderte die Sicht auf den Boden, und dann griffen Hände nach mir und hievten mich ins Innere des Hubschraubers.
     
    Als wir den Pazifik erreicht hatten, bogen wir ab und folgten der Küstenstraße nach Norden. In Oregon ist die gesamte Küste in staatlichem Besitz, daher sieht die Gegend so wild und urwüchsig aus. Alles macht den Eindruck, als könnten hier unerhörte

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