Engel des Vergessens - Roman
izpolnil mojo mi željo, takrat, o vetric, mene vec ne bo. Življenje svoje sem že dokoncal. Bom v tuji zemlji mirno spal. Lieber kühler Wind, eile nach Kärnten auf die Wiese, wo mein leeres Haus steht, ach, eile dorthin, mein Wind. Nie wieder werde ich Wein trinken, der Schatten des Hauses wird mich nicht kühlen, nie wieder werde ich meinen Acker pflügen. Bringe dorthin meinen letzten Gruß! Sobald du meinen Wunsch erfüllt haben wirst, lieber Wind, wird es mich nicht mehr geben. Das Leben werde ich beendet haben und in fremder Erde friedlich ruhen.
Vater ist zufrieden. Kati sagt, nachdem sie sich hingesetzt hat, dass ihr immer die Tränen kommen, wenn sie dieses Lied singe, weil sie an Katrca und an Urša, ihre verstorbene Mutter, denken müsse, die ja die Schwester von Katrca gewesen sei. Katrca habe, kurz bevor sie gestorben sei, das Gedicht aus dem Konzentrationslager Ravensbrück geschickt, mit der Bitte, Urša solle das Gedicht vertonen, damit es nicht in Vergessenheit gerate. Ihre Mutter habe zu dem Gedicht eine Melodie ersonnen, erzählt Kati. Sie habe viele Gedichte vertont, vor allem ihre eigenen. Dabei habe ihre Mutter gar nicht schreiben können, sei Analphabetin gewesen. Sie habe tagsüber, während der Feldarbeit, gedichtet und die Texte am Abend ihrem Mann diktiert. So seien Theaterstücke, Erzählungen und Gedichte entstanden. Ihre Mutter Urša sei die eigentliche Dichterin in der Familie gewesen, eine bessere Dichterin als sie es sei, sagt Kati, das müsse sie zugeben, obwohl auch sie in letzter Zeit viel schreibe.
Ein Dichternest in unserer Verwandtschaft, zum Verrücktwerden, sagt Vater und blickt Mutter und mich schelmisch an. In dieser Familie gehe es zu wie auf dem Jahrmarkt, ein Dichter jage den anderen, man könne sich der Gedichte kaum noch erwehren. Übrigens habe auch er ein Gedicht geschrieben, mit zwölf Jahren, bei den Partisanen. Eine Strophe habe er sich gemerkt, sagt Vater: Ko pasel sem jaz kravce, je prišel policist, v oreh me je obesil in mislil, da sem list. Als ich die Kühe auf die Weide trieb, kam ein Polizist, hängte mich auf dem Nussbaum auf, dachte, ich sei Laub. Vater setzt sich im Bett auf und grinst.
* * *
Im Spätherbst wird Vaters Körper von einem Schmerzschraubstock umschlossen, der ihn unerbittlich zusammenpresst. Sein Lebenskampf setzt unseren Nerven zu. Wir können die Gedanken an seine Schmerzen kaum ertragen und beginnen es dem Hausarzt, der immer wieder vorbeischaut, übelzunehmen, dass er Vaters Schmerzen nicht lindern kann. Vater möchte auf gar keinen Fall ins Krankenhaus gebracht werden, er möchte zu Hause sterben, das sei sein ausdrücklicher Wunsch, sagt er. Er kann sich mittlerweile kaum mehr bewegen, sich kaum mehr aufsetzen. Seine Notdurft muss er liegend verrichten. Es sei ihm nicht recht, aber er müsse ab und zu laut stöhnen, sagt er, der Schmerz sei zu groß. Jede Berührung ist eine Qual, und unsere hilflosen Hände, die ihm helfen wollen, sind für ihn eine Strafe.
Nachbarn und Verwandte kommen zu Besuch und möchten mit ihm plaudern, wie sie sagen. Sie bringen Wein mit, weil Vater einmal erwähnt hat, jeden Tag ein oder zwei Gläser trinken zu wollen. Das müsse sein, behauptet er. Am liebsten würde er eine Flasche Zwetschkenschnaps leeren, wenn er wüsste, dass er sie vertragen könnte.
Ich hege den Wunsch, dass Vater in Ruhe sterben möge, aber er ist weit davon entfernt, einverstanden zu sein mit dem, was ihm bevorsteht. Ich bilde mir sogar ein, dass er mich hilfesuchend anblickt. Einmal sagt er, in meinem Nachtkästchen im Schlafzimmer ist ein Heft von Mici. Nimm es mit. Es ist für dich. Ich hüte mich, ihn zu fragen, ob ihn der Gedanke gequält habe, damals, unter den Schlägen des Polizisten, vielleicht Mici verraten zu haben. Er hat nie über Mici gesprochen, hat aber ihr Heftchen aufbewahrt. Warum frage ich nicht! Hat seine Unruhe mit Mutter zu tun, mit der er eine Ehe voller Zwist und Vorwürfe geführt hat? Will er sich mit ihr versöhnen, fehlt ihm dazu die Kraft? Ist seine Angst ein letztes Aufbäumen gegen den Verlust des Lebens, das er als kläglichen Rest in sich spürt, oder etwas Ungesagtes, Älteres, an dem er würgt? Ich werde es nicht erfahren.
Am dritten Januar, an seinem Geburtstag, werden wir mit ihm ein Glas Wein trinken.
Drei Tage später wird Vaters Gesicht fahl und blutleer sein. Er wird mir erzählen, dass gestern, an seinem Namenstag, wieder seine Cousinen und Cousins dagewesen seien. Sie hätten
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