Engel für den Duke
heftiger Schmerz, dass sie kaum schlafen und kaum essen konnte. Ihre Mutter glaubte, dass sie wegen der bevorstehenden Verlobung aufgeregt war.
Zum Glück würde sie die Wahrheit nie erfahren.
In den letzten Tagen hatte Jocelyn wohl tausend Mal an Christopher gedacht. Sie hatte versucht, sich einzureden, dass sie sich unmöglich in ihn verliebt haben konnte. Sie glaubte nicht einmal an Liebe.
Aber der Schmerz in ihrem Herzen war echt, und seit jenem Tag waren ihre Gefühle für Christopher nur noch intensiver geworden. Sie hatte entdeckt, dass sie ihn dafür respektierte, dass er sich gegen sie stellen konnte. Dass er Manns genug war, einen Antrag abzulehnen, der ihm nichts über ihre Gefühle verriet. Einen Antrag, von dem er glauben musste, dass er nicht mehr als einer Laune entsprang.
Vielleicht war das zu der Zeit sogar der Fall gewesen.
Seitdem er abgelehnt hatte, hatte sie pausenlos an ihn gedacht. Sie hatte gelauscht, ob es Gerüchte über ihn gab, hatte in den Zeitungen nach Artikeln gesucht, in denen sein Name erwähnt wurde. Im Zusammenhang mit einem Fall, den er gewonnen hatte, hatte die London Times ihn für seine Fähigkeiten als Anwalt gelobt und ihm eine große Zukunft vorausgesagt. Christopher war klug und stark, aber sie wusste, wie zärtlich er sein konnte.
Ihr Herz tat weh. Stundenlang hatte sie sich eingeredet, dass sie ihn nur deshalb wollte, weil sie ihn nicht haben konnte. Jetzt wusste sie, dass sie viel mehr wollte. Sie wollte, dass Christopher sie liebte. So sehr, wie sie ihn liebte.
Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Es war alles einfach so unfair!
Sie fühlte sich gefangen und verwirrt. Ein Teil von ihr wollte die Hochzeit absagen. Ein anderer Teil sagte ihr, dass sie dann vermutlich allein bleiben würde. Christopher hatte über ihren Heiratsantrag gelacht, und wenn sie ihn noch einmal fragte, würde er vermutlich wieder lachen.
Der Abend verging. Dreimal tanzte sie mit Royal. Sie tanzte mit seinem gut aussehenden jüngeren Bruder Rule, tanzte mit der Hälfte der Junggesellen der Londoner Gesellschaft, lächelte die ganze Zeit über, tat so, als wäre sie glücklich, versuchte, heiter und elegant zu wirken. Sie versuchte, nicht zur Tür zu schauen, um zu sehen, ob Christopher wohl käme. Sie versuchte, nicht zu hoffen, dass er hereinstürzen und von ihr verlangen würde, dass sie mit Royal brach, ihr sagen würde, dass er seine Meinung geändert hatte. Ihr sagte, dass er sie liebte und sie heiraten wollte.
Stattdessen sah sie, wie ihr Vater und ihre Mutter von der gegenüberliegenden Seite des Ballsaals auf sie zukamen. Aus der anderen Richtung kam Royal. Es war an der Zeit, die Verlobung bekannt zu geben.
„Es ist so weit“, sagte der Duke leise und bot ihr seinen Arm. „Ich glaube, Ihre Eltern haben etwas Wichtiges zu verkünden.“
Einen einzigen, verrückten Moment lang wollte sie zur Tür stürzen. Sie wollte davonlaufen und sich verstecken, bis dieser Albtraum vorüber war.
Dann sah sie ihre Erzfeindin Serafina Maitlin neben der Bühne stehen, auf der die Musiker spielten und von der aus auch die Bekanntgabe erfolgen würde. Serafina sah erstaunt zu, wie der Duke Jocelyn und ihre Eltern zu der Bühne geleitete, und sie wusste genau, was das bedeutete.
Vor Ärger wurde Serafina hochrot. Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, und ihre Augen blitzten. Beim Anblick des Neids ihrer Rivalin verschwanden Jocelyns Zweifel.
Sie würde es tun! Sie würde eine Duchess werden! Sie würde es ihnen zeigen. Sie würde es ihnen allen zeigen.
Und vor allem Christopher Barclay.
Preston Loomis stand am Ende des Ballsaals an der verspiegelten Wand, als er die alte Frau erblickte, deretwegen er gekommen war. Verglichen mit der Dowager Countess of Tavistock war Hortense Crowley eine runzelige alte Frau, voller Falten und ein wenig gebeugt. Das Wichtigste aber war, dass ihr Verstand so alt und schwach war wie der Rest von ihr.
Während er auf sie zuging, stellte er das leere Punschglas auf das Tablett eines Dieners.
Die Menge um ihn murmelte und sprach über das Ereignis, das gerade bekannt gegeben worden war – die Verlobung des Duke of Bransford mit der reichen Erbin Jocelyn Caulfield. Das überraschte kaum jemanden. Es liefen jede Menge Wetten. Der Duke war nahezu bankrott. Das Caulfield-Mädchen brachte ein Vermögen mit. Royal Dewar hatte kaum eine andere Wahl.
Es gelang Preston, das zufriedene Lächeln zu unterdrücken. Seine eigenen Konten waren übervoll,
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