Engel für den Duke
noch etwas, Tommy. Ich habe mit einer meiner Kundinnen gesprochen, Mrs Smythe, der Frau des Lebensmittelhändlers. Sie sagte, sie und ihr Mann suchen einen vertrauenswürdigen jungen Mann, der arbeiten kann und Botengänge für sie erledigt.“
Tommy setzte sich auf. „Vertrauenswürdig? Damit meinen Sie doch nicht mich?“
„Nun, du wärst es aber, oder? Wenn du Arbeit hast, musst du nicht stehlen. Mr Smythe würde dir einen Lohn zahlen, und du und Mugs, ihr könnt bei ihm in dem Raum über dem Stall schlafen.“
Das war der Teil, der ihr am schwersten fiel: Tommys Gesellschaft aufzugeben. Wenn er hier war, half ihr das, ihre Gedanken von Royal und seiner bevorstehenden Hochzeit abzulenken.
„Verdammt, Miss, ich hatte noch nie eine richtige Arbeit. Sie können mir vertrauen, unbedingt! Ich werde nicht stehlen.“
„Und du kannst immer noch hierherkommen“, fügte sie hinzu. „Wir können zusammen zu Abend essen, wann immer du willst.“
Tommy lächelte breit. „Ich würde diese Arbeit gern machen. Wann kann ich anfangen?“
„Montagmorgen. Ich komme mit dir zu den Smythes und helfe dir, alles zu klären.“
Tommy lachte. „Wenn das nichts ist. Meine erste richtige Arbeit – und alles nur, weil ich einem Duke die Geldbörse stehlen wollte.“
Lily konnte nicht anders, sie lächelte ebenfalls. Aber bei dem Gedanken an Royal verschwand das Lächeln gleich wieder. „Ich sehe dich morgen früh, Tommy.“ Sie streckte die Hand aus und strich Mugs über das Fell. „Schlaft gut, ihr zwei.“
Der Junge schloss die Augen, aber das Lächeln blieb auf seinem Gesicht. Lily verließ das Hinterzimmer und ging hinauf in ihre Wohnung.
Jetzt, mitten in der Nacht, Stunden später, stand sie an der Tür und betrachtete die beiden. Es versetzte ihr einen Stich. Leise seufzte sie. Tommy und Mugs schliefen fest, aber für sie würde der Schlaf ausbleiben. Vielleicht würde sie mit der Zeit ihre Liebe zu Royal überwinden können, aber nicht in dieser Nacht.
Nicht in dieser Nacht.
Lily ignorierte den Schmerz in ihrem Herzen, als sie sich umdrehte, zur Treppe und zurück in ihr leeres Bett ging.
28. KAPITEL
S eit dem Verlobungsball waren vier Tage vergangen. Es wehte ein kalter Aprilwind, und Papierfetzen wirbelten durch die Straßen. Bald würden die Osterglocken in voller Blüte stehen, aber an diesem Tag wehte ein eisiger Wind von der Themse herüber.
Ein paar Blocks vom Ufer entfernt, in einem großen Haus, in dem die Hawksworth Munitionsfabrik untergebracht war, stand Royal neben Benjamin Wyndam, Lord Nightingale, hinter einer gläsernen Front im dritten Stockwerk.
Der Platz in der Tooley Street nicht weit vom Hafen war gewählt worden, weil sich die Waren so am besten ausliefern ließen. Das Gebäude gehörte Nightingale. Er lachte leise, als er die beiden Männer beobachtete, die drei Stockwerke tiefer unterwegs waren. Einer dünn und dunkelhaarig, der andere mit einem silbergrauen Schnurrbart.
„Loomis nickt immerzu“, sagte Nightingale. „Der Mann, der bei ihm ist, muss sehr gut sein. Mir scheint, unser Freund kauft ihm ab, was immer er ihm einzureden versucht.“
„Er erzählt ihm etwas in dem Sinne, dass das Ganze weit mehr wert ist, als die alte Mrs Crowley auch nur ahnt. Die Amerikaner stehen kurz vor einem Krieg, und damit wären die Aktien, die Loomis kaufen will, bald ein Vermögen wert.“
„Wer ist das?“
„Jack Moran nennt ihn Gulliver. Er gehört zu seiner Gruppe – ein Schauspieler, der mit so etwas seinen Lebensunterhalt verdient.“
Nightingale schüttelte den Kopf, und eine dunkle Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht. „Es stimmt einen schon etwas nachdenklich zu sehen, wie leicht jemand getäuscht werden kann. Ich kann verstehen, wie dein Vater auf so einen Schwindel hereinfallen konnte.“
„Ich denke, wir werden herausfinden, ob Loomis genauso leicht zu überzeugen ist wie wir anderen.“
Nightingale warf noch einen Blick auf die Männer, die hier und da stehen blieben, um die Waffen zu inspizieren, die hier hergestellt wurden, und waren offenbar zufrieden mit der Qualität, die natürlich ausgezeichnet war. „Bisher sieht es so aus.“
Obwohl die Anlage reichlich Gewinn abwarf, erwog Nightingale, sie zu verkaufen. Die Herstellung von Waffen sagte ihm nicht besonders zu, meinte er.
Royal beobachtete die Männer weiter. Als Loomis und Mrs Crowleys Verwalter eingetroffen waren, war niemand zu ihnen gekommen. Alle hatten ihre Arbeit fortgesetzt, als hätte der
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