Engel im Schacht
vielleicht der Fall gewesen wäre. Ich las den Brief sorgfältig durch, wählte dann die Nummer von Gantners Chicagoer Büro und ließ mich mit Eric Bendel verbinden. »Richten Sie Senator Gantner hinsichtlich des Rechtsstreits gegen mich etwas aus.« Ich überging Bendels Beteuerungen, er wisse gar nicht, warum ich anriefe. »Sagen Sie ihm folgendes: Wenn es sich bei dem Jet tatsächlich um ein Flugzeug von Gant-Ag gehandelt hat, ergeben sich doch ein paar interessante Fragen: zum Beispiel, wieso es so viel Geld von den Caymaninseln eingeflogen hat, und das so ganz ohne Bordbuch oder andere Registrierung durch die Chicagoer Fluglotsen. Sagen Sie ihm, ich habe die Unterlagen über alle in dieser Nacht registrierten Flugzeuge von O'Hare und Aurora.«
Das war ein Ergebnis von Murrays eifrig betriebenen Nachforschungen. Nachdem das Flugzeug explodiert war, hatte Murray am nächsten Morgen mit ein paar Leuten von der Luftfahrtbehörde gesprochen, die er kannte. Niemand wollte auf seine Fragen eingehen, aber schon zwei Tage später erhielt er anonym eine Kopie der gesamten Bordbücher des nördlichen Illinois. Derjenige, der sie ihm geschickt hatte, hatte sich größte Mühe gegeben, seine Identität zu verbergen - schließlich ist ein Fluglotse Bundesbeamter, und ein wütender Senator konnte dafür sorgen, daß er seinen Job verlor.
Bendel legte auf, ohne etwas zu sagen, aber als ich ein oder zwei Tage später vom Joggen zurückkam, wartete er vor meiner Tür auf mich. Seine marineblaue Limousine stand wieder in zweiter Reihe vor meinem Haus, und einige Kinder tanzten drum herum - Limousinen waren in unserem Viertel immer noch ein seltener Anblick, obwohl die Gegend von Tag zu Tag besser wurde.
Bendel stieg auf der Beifahrerseite aus, als er mich den Gehsteig entlangkommen sah. »Senator Gantner würde sich gern mit Ihnen unterhalten.«
Ich rief die Hunde zurück - sie waren einfach zu freundlich, und ich wollte nicht, daß sie sich irgendwelche gräßlichen Krankheiten holten, wenn sie ihn ableckten. »Dann soll er einen Termin mit mir vereinbaren. Ich werde sehen, ob ich ihn noch irgendwo einschieben kann.«
Die hintere Tür der Limousine öffnete sich, und die gutgekleidete Gestalt, die ich von den Wahlkampfplakaten kannte, stieg aus. »Tun Sie mir den Gefallen, Ms. Warshawski. Ich bin nur sehr kurze Zeit in Chicago.« Ich sah mit großer Geste auf die Uhr. »Na schön. Zehn Minuten.«
Als sie mir ins Haus folgten, streckte Mr. Contreras den Kopf zur Tür heraus. »Kommen Sie mit rauf«, sagte ich zu ihm. »Sie haben jetzt die einmalige Gelegenheit, einen Senator der Vereinigten Staaten persönlich kennenzulernen. Und Sie können Zeuge sein für alle Drohungen oder Bestechungsversuche, die er unternimmt.« Der alte Mann war verblüfft, folgte mir aber sofort die Treppe hinauf. Als wir alle in meinem Wohnzimmer saßen, ich in meiner verschwitzten Shorts, Gantner und Bendel in maßgeschneidertem Sommerkammgarn, kam Gantner ziemlich schnell zur Sache. »Ich habe von Eric gehört, daß Sie Kommunikationsprobleme mit dem Unternehmen meines Bruders, mit Gant-Ag, hatten. Gant-Ag ist ein Konzern mit Niederlassungen auf der ganzen Welt. Sie wissen, daß er in Privatbesitz ist, aber es ist kein Geheimnis, daß der jährliche Umsatz mehr als dreißig Milliarden Dollar beträgt. Mein Bruder, der das Unternehmen leitet, seit ich im Kongreß bin, hat nicht immer die Zeit, sich um alle Einzelheiten zu kümmern. Das sollte er in seiner Position auch nicht. Als ich mich heute morgen mit ihm unterhalten habe, hat er mir mitgeteilt, daß er sich bezüglich des Flugzeuges, das Sie zerstört haben, getäuscht hat - es gehört nicht uns, sondern einem privaten Unternehmen mit Sitz in der Karibik, das kein Interesse daran hat, Schadensersatzforderungen zu stellen. Craig wird Ihnen einen Brief dieses Inhalts zuschicken - er müßte eigentlich noch heute rausgehen.«
»Das ist natürlich eine große Erleichterung, Senator«, sagte ich und lehnte mich in meinem Sessel zurück. »Nicht nur für mich, sondern auch für ihn.« »Und was die anderen Dinge anbelangt, die Ihnen am Herzen liegen: Ich fürchte, mein Sohn ist in seinem Wunsch, einem gemeinnützigen Unternehmen hier in Chicago unter die Arme zu greifen, ein wenig übers Ziel hinausgeschossen. Er ist so sehr an das sorglose Leben gewöhnt, daß er dem Stiftungsbeirat einfach beigetreten ist, als zwei Freunde das vorgeschlagen haben. Er hat sich mittlerweile aus dem Unternehmen
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