Engelherz - Band 1-3
kannst du das“, er deutete auf mein Kleid und sein Tonfall sagte mehr aus als er mit tausend Worten ausdrücken könnte, „ja wieder ausziehen.“
Ich richtete mich auf. „Beeindruckend, wie schnell du wütend werden kannst“ , meinte meine innere Stimme und es klang beinahe wie ein Kompliment.
„ Wieso soll ich es ausziehen?“ Ich gab mir keine Mühe meinen Ärger zu verbergen.
Adam zuckte verlegen mit den Schultern. „Ich dachte nur ...“, murmelte er, sprach seinen Gedanken aber nicht aus.
„ Ich bin durchaus selbst in der Lage zu entscheiden, ob ich ein Kleid tragen will, oder nicht!“ Meine Stimme klang selbst für meine Ohren aufgebracht und ich fragte mich, warum ich so empfindlich reagierte. „Es war doch nur ein Vorschlag!“ , dachte ich, war aber trotzdem verärgert darüber, dass er versuchte, mir meine Entscheidung abzunehmen.
„ Du bist wütend auf mich, oder?“
„ Nein, bin ich nicht.“ Ich seufzte. Wie sollte ich ihm begreiflich machen, was ich fühlte ohne ihn zu verletzten?
„ Was ist es denn?“ Er klang alarmiert, als wenn er etwas ahnen würde, was ich noch nicht begriffen hatte.
„ Ehrlichkeit!“ , dachte ich. „Vielleicht begreift er es.“
„ Jedes Mal wenn ich etwas mache, rufst du, obwohl du vorher mit etwas anderem beschäftigt gewesen bist – obwohl du mich nicht beachtet hast. Alles, was ich von dir höre ist: Lilith mach das nicht, Lilith tue dies nicht, Lilith sei vorsichtig.“
An Adams Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er nicht begriff, dass ich auf sein mangelndes Interesse an mir als Person hinauswollte.
„ Ich meine es doch nur zu deinem Besten!“, verteidigte er sich beleidigt.
„ Klar, immer nur zu meinem Besten“, ich war überrascht, wie bitter ich klang als ich aufstand. „Ich brauche niemanden, der mir sagt, was zu meinem Besten ist!“
Irritiert blickte mein schöner Gefährte mich an, als könne er nicht begreifen, dass ich seine Befehle und Einschränkungen als persönlichen Affront auffasste.
„ Ich bin selbständig, Adam. Ich weiß selber, was zu meinem Besten ist – und wenn nicht, werde ich es herausfinden.“
„ Du weißt es besser als Jahve?“ Hohn und Ärger hielten sich in seinen Worten die Waage.
„ Du bist nicht Jahve“, tadelte ich sanft, weil Adam mich nicht verstehen wollte.
„ Ich bin aber nach seinem Ebenbild erschaffen“, erinnerte er mich.
„ Ich auch.“
Mein Gefährte blinzelte, als habe er tatsächlich vergessen, dass ich sogar vor ihm erschaffen worden war. Als wäre es eine neue Erkenntnis für ihn, dass ich ebenfalls nach Jahves Bild geschaffen worden bin.
Deshalb sah ich mich gezwungen, meine Aussage zu verdeutlichen: „Wir sind gleichberechtigt und gleichwertig und ich sage dir doch auch nicht ständig, was du zu tun und zu lassen hast. Und ich lasse nicht dauernd den Besserwisser heraushängen, oder hinterfrage alles was du tust, obwohl du mich immerzu außen vorlässt und dich mit anderen Dingen beschäftigst!“
„ Mache ich doch gar nicht, du gehst immerzu weg!“, schniefte er, nur auf einen Teil meiner Anklage reagierend.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf. „Ja, das tue ich, nicht wahr?“, meine Stimme war tonlos und leise. „ Versteht er wirklich nicht, dass ich nur weggehe, weil er sich nicht um mich kümmert?“
Erst jetzt bemerkte ich, dass fünf Engel auf der Lichtung standen, die das morgendliche Geschehen interessiert verfolgten. Ihr Gesichtsausdruck ließ keine Rückschlüsse auf ihre Gedanken zu und ich fragte mich, was sie wohl von uns hielten. „Ob sich gerade ihr Eindruck von unserer Unvollständigkeit bestätigt?“
„ Dann bis später!“, kommentierte ich trotzig, bevor ich mich umdrehte.
„ Wohin gehst du?“ Adam klang verunsichert, weil ich ihn trotz – oder gerade wegen – seines Vorwurfes allein lassen wollte und für einen Augenblick tat er mir leid. Ich wusste, dass ich ungerecht war. Widerwillig blieb ich stehen, drehte mich um, sah ihn aber nicht an. „Mir die Welt angucken“, erklärte ich leise.
„ Wollen wir das nicht gemeinsam machen?“
Erst jetzt sah ich auf. Sein Gesichtsausdruck war herzerweichend verletzlich. Es rührte mich, endlich einmal Emotionen für mich – wegen mir – zu erkennen.
Wider besseres Wissen nickte ich, ich konnte ihn nicht unglücklich auf der Lichtung stehen lassen. – Nicht, wenn er sich Mühe geben wollte.
So ließ ich es zu, dass er glücklich neben mir
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