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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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ausfuhr. Sie hatte sich für ihn entschieden, darum gehörte er ihr. Ein Beweis war der Welt nicht zu erbringen. Es fiel lediglich auf, dass sie nicht mehr buckelte, sondern aufrecht ging, dass sie Dreck auswich und sich regelmäßig wusch und dass sie an dem Tag, da sie Samuel begegnete, fruchtbar geworden war und bei Vollmond blutete.
    Nichts aber trieb sie in Samuels Nähe. Ein anderes Fräulein suchte sie an ihrer statt.
    Ein halbes Jahr nachdem sich Lenas Liebe ereignet hatte, tauchte am Gutshof dieses Fräulein auf, und es zeigte sich, dass es sich wie Lena für Samuel entschieden hatte. Trotz der Gemeinsamkeit waren sich die beiden nicht gleich. Baroness Marthe verriet sich anders als die Magd.
    Nachdem sie Samuel bei der denkwürdigen Hochzeit seines Stiefbruders erspähte hatte, ihm bei weiteren Festlichkeiten erneut begegnet war und ihr Interesse auf ihn festgelegt hatte, kam sie zu Pferde angeritten, nannte mit lauter Stimme ihren eigenen Namen und wünschte hernach, zu Samuel gebracht zu werden, sofort, ohne Umschweife. Baroness Marthe war forsch.
    Murmelnd trug man die Nachricht von ihrem Kommen weiter, lockte die alte Köchin mit den gichtigen Händen hervor und teilte es auch Lena mit, die wortlos kam, die andere zu begaffen. Baroness Marthe ließ sich davon nicht bremsen. Selbstbewusst reichte sie die Zügel ihres Pferds einem Knecht und entschied, da niemand sie zu Samuel bringen wollte, ihn selbst zu suchen.
    Keiner hielt sie auf. Hinter ihrem Rücken tuschelte man über ihre merkwürdige Tracht. Marthe war stets nach dem neuesten Stil gekleidet, ließ sich von einer Freundin aus dem fernen Wien die Kleidung der dortigen Damen beschreiben und gab die Vorgaben der Schneiderin weiter. Sie trug auf dem Kopf die Schute, noch ehe diese allen anderen bekannt war, kleidete sich als Erste mit weißer Chemisette und einem Rock mit waagerechten Volantreihen und band sich die Haare zum Chignon, dem Nackenknoten, während andere sich noch Löckchen brannten. Man hörte von ihr sagen, dass Mode ihr Leben sei. Sie hätte es bestritten. Leben war für sie mit keinem Wert gleichzusetzen. Leben war das, was zurückblieb, wenn man es überrundete. Und in diesem Wettkampf gehörte das Neueste und Modernste zu den temporeichsten Errungenschaften. Seit ihrer Geburt war Marthe beschäftigt, den Alltag bei der unverheirateten Tante, der grauen Schwester und dem dicklichen Bruder abzustreifen und wendig auf dem Pferderücken oder im stilvollsten, ungewöhnlichsten Kleid dagegen anzureiten. Sie wusste um den Wert von Schnelligkeit.
    Jetzt kam sie vorerst ins Stocken damit. Nervös betrat sie Samuels Zimmer, nahm den Hut ab und konnte sich nicht besinnen, jemals allein einen jungen Mann aufgesucht zu haben. Samuel hatte nicht auf ihr Klopfen geantwortet, sodass sie ungebeten den Raum betrat, um obendrein seine Ignoranz hinnehmen zu müssen. Es war zu hoffen, dass er ihren Namen wusste. Stattdessen hob er lediglich den Blick von seiner Staffelei und starrte ausdruckslos auf die Hand, die sie ihm entgegenstreckte. Er nahm sie nicht, sondern zuckte zusammen und trat hastig von ihr weg. Peinlich berührt ließ sie die Hand sinken, um ebenso verlegen nach dem Hut zu greifen und ihn unruhig auf und nieder zu bewegen.
    Er überließ es ihr auch, erste haspelnde Worte zu sprechen und vorzubringen, dass sie Baroness Marthe sei, aus der unmittelbaren Nachbarschaft stamme und gehört habe, dass er, Samuel von Altenbach-Wolfsberg, ein begnadeter Maler sei, dazu befähigt, jedermann aufs Exakteste zu porträtieren. Sie selbst wolle...
    An dieser Stelle stockte sie, denn Samuel öffnete zögernd den Mund und zeigte verspätetes Verstehen.
    »Ganz gleich, was Ihr wollt – ich werde Euch nicht malen«, erklärte er – nicht bösartig, sondern gleichgültig. Dann wandte er sich ab und löste seinen Blick von ihrem erhitzten.
    Marthes Hände wurden feucht.
    »Aber Ihr seid doch ein Porträtist!«, begann sie um ihn zu werben, sah ihm über die Schultern, versuchte auf der Leinwand Anzeichen für ein künftiges Gemälde zu erkennen. Weiter hinten ihm Raum standen die Bilder der letzten Monate, von Engeln übersät, von verwackelten, zitternden, schaukelnden Engeln. Sie standen nicht und lehnten sich nirgendwo an. Haltlos wanderten sie über die Leinwände, ohne einen Eindruck zu hinterlassen, ob sie schön seien oder nicht. Marthe erschienen sie neuartig und so trotzig wie ihre Weigerung, auf dem Damensattel zu reiten oder eine Basquine zu

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