Engelsblut
bluteten, ihre Stimme wurde heiser, aber sie ließ nicht davon ab zu beteuern, dass der Domherr sie nicht verraten habe, dass der Graf sie annehmen müsse, dass er sich nicht vor ihr versperren dürfe. Solange sie brüllte und trommelte und forderte, fühlte sie sich geschützt und geliebt.
Unruhig schritt der Graf im Innern auf und ab. Bis in die frühen Morgenstunden empfand er sich als Maries Gefangener. Dann öffnete er in seiner Not das Fenster, rief hinaus in den Hof, dass Felicitas kommen möge, jene Base, die er zu ehelichen beabsichtigt hatte, ehe Marie in sein Leben trat.
Als Felicitas kam, verstummte Marie atemlos und erschöpft. Ihre Stimme war so leise geworden, dass der Verrat sich kaum noch übertönen ließ. Steif stand Felicitas vor ihr und sagte nichts. Auch Marie war jetzt still. Sie erhob sich bleich, begaffte hasserfüllt die fremde Frau und war unendlich erleichtert, dass sie nicht mehr um den Grafen kämpfen musste.
Felicitas klopfte, der Graf öffnete, Marie wich tonlos zurück.
Er würde mich ja lieben und zur Frau nehmen, dachte Marie müde und fühlte sich endlich geborgen und behütet. Er würde mich ja lieben – wenn diese Hure nicht wäre.
»Du musst verstehen«, sagte der Graf zu Felicitas. »Ich konnte mich nicht anders verhalten. Es ist der Hof meines Vaters, Gott hab ihn selig, den ich zu bewahren habe. Und wer sonst, wenn nicht der Domherr zu Linz...«
Er hatte Felicitas, die verstoßene Verlobte, noch nie liebkost. Jetzt raunte er weiche Schwüre und strich ihr sachte über die Wange, indessen sie noch vorgab, zu stolz zu sein, um ihm zu erliegen. Er warb zum ersten Mal um sie, versuchte, sie für sich einzunehmen, und gleichsam Marie, die vor Tagen nur ein Name, heute ein lästig schwerer Leib war, aus seinem Gemüt zu verdrängen. Vorsichtig knüpfte er mit eben dieser Marie einen Knoten zwischen sich und Felicitas, während ihn früher nur ein lose dahingeworfenes Eheversprechen an sie gebunden hatte.
Felicitas teilte die Empörung über das unliebsame Eheweib – was freilich nicht bedeutete, dass sie seine Mätresse werden wollte. Noch war ihr Wunsch, ihn zu besitzen, nicht stark genug, um dafür ihre fromme Erziehung zu verraten. Noch wollte sie ihre Liebe außerhalb der sittlichen Grenzen nicht leben.
Hartnäckig gab der Graf gleichwohl nicht auf, dieser Liebe seinen Odem einzuhauchen.
»Marie bedeutet nichts«, erklärte er schmachtend. »Ich weiß, dass ich dir nicht viel bieten kann. Ein heimliches Verhältnis nur, das nie ins Licht der Ehrbarkeit treten wird. Aber stoße mich nicht von dir. Ich brauche dich!«
Sie neigte zur Ablehnung. Diese witternd fiel er ihr ins Wort. »Bei keiner anderen Frau würde ich so weit gehen. Bei keiner anderen Frau würde ich dieses Anliegen so deutlich benennen. Aber du bist es wert! Du bist stark genug dafür! Ich setze auf dich! Ich weiß, dass du dich nicht hinter Eitelkeit verstecken wirst. Ich weiß, dass du bereit bist, dich für mich von Konventionen zu lösen. Für die Liebe lohnt es doch zu kämpfen!«
Liebe hatte sie niemals von ihm erwartet, nur den Ehering. Heute schenkte er sich ihr überreif, zog sie an sich ohne Geduld, rankte eine belegte Stimme um angenehme Worte, die ihr schmeichelten und Kraft zusprachen – ein wohlfeiles Lob. Sie war sich nicht sicher, ob es ihr diente. Stark genug zu sein für Entehrung war nichts, was sie je hatte erproben wollen.
»Felicitas, Felicitas«, flüsterte er ihr ins Ohr, und seine Stimme klang müde vom langen Kampf gegen Marie. »Was soll ich tun, wenn du mich alleine lässt? Wie könnte ich leben mit diesem verrückten Weib, wenn ich dich nicht an meiner Seite wüsste? Die Ehe ist nur Schein. Du wirst die echte Gattin sein.«
Sie entwich ihm ein letztes Mal; sie gedachte des steifen Grafen von früher, den sie stets bewundert und angebetet hatte, jedoch als unnahbaren, würdigen, nicht begehrenden Mann kannte. Seine Liebe verstörte sie. Felicitas ahnte, dass sie in dieser Heftigkeit unmöglich bis morgen anhalten könne. Aber dann, überlegte sie strauchelnd, wenn er nicht mehr genug von dieser Liebe hat, dann könnte ich ja an seiner Statt lieben?
Er hörte auf, sie zu liebkosen, kaum, dass er sich ihrer sicher wähnte.
Schließlich raunte er nicht mehr, sondern packte sie ungeduldig und roh. Zorn lag darin – auf Marie und darüber, dass ihn die Flucht vor seinem Eheweib zu einer Geliebten getrieben hatte, die er niemals hatte haben wollen. Die Zärtlichkeit von
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