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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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könnte anders sein, doch die Wahrheit ist, dass dir die Menschen nicht so begegnet sind, wie du’s verdientest. Erinnere dich an Felicitas, an deine Mutter Marie, an Baroness Marthe und an Lothar! Erinnere dich, verfluche sie, hasse sie! Raub ihnen ihre Seele, indem du ihr Blut nimmst, und wasch sie rein vom Dreck der irdischen Liebe, indem du sie den Engeln einverleibst!«
    »Du liebst mich, damit ich dich hasse? Soll das deine Rechnung sein?«, schimpfte Samuel ungläubig.
    Jetzt endlich wischte sich Andreas über die feuchte Stirn. »Zeig dich mir nicht nackt, Samuel! «, bekundete er entschlossen. »Das ist zu gefährlich. Hörst du? Lege deine Kleider nicht mehr vor meinen Augen ab! Entblöße dich nicht! Lass auch nicht zu, dass einer wie ich dich begafft und berührt und an sich zieht! Du bist zu schade für verderbtes Pack wie mich! Male wieder Engel!«
    Seufzend rollte er sich endlich zur Seite, ließ Samuels Hand fallen und stand auf. Samuel versuchte nach ihm zu treten, aber er traf nichts als kalte Morgenluft. »Fass mich nicht an!«, kreischte er Andreas empört nach. »Fass mich bloß nie wieder an!«
    Das Zimmer verlassend, wo Samuel tobte, suchte Andreas nach Lena, versteckte erneut das Gesicht in ihrem Schoß und hielt sich an ihr fest, bis er nicht mehr zitterte. »Tröste mich!«, flehte er hilflos wie ein Kind. »Tröste mich!«
    Wiewohl Andreas nie wieder bei einem Mann lag, noch dem Vetter Kundschaft von Amouren gab, befiel Samuel eine tiefe Melancholie, als der Herbst kam – wie einst, da sie auf Reisen waren und nicht wussten, wohin sie gehen würden. Manchmal verbrachte er noch seine Zeit mit anderen Künstlern, aber als die Nächte länger wurden, verkroch er sich im Bett. Während er bisher an Lena vorbei gelebt hatte, ging er nun dazu über, sie gereizt zu beschimpfen und zu erklären, dass sie ihm lästig fiele.
    Zukunftspläne nannte er nicht. Es fielen ihm keine ein – auch dann nicht, als Ende September einige der Maler Cronberg verließen, um an neuen Orten Anregung zu suchen. Es zog sie nach Frankreich – zuerst nach Paris, später vielleicht nach Barbizon, wo die besten der Landschaftsmaler arbeiteten.
    »Ich bin kein Landschafter«, knurrte Samuel, als sie ihn einluden, ihn zu begleiten. »Was soll ich dort, wo man Bäume abzeichnet?«
    »Vielleicht magst du daran lernen«, warf einer sachte ein.
    »Hab wohl schon genug von euch mitbekommen, dass es ein Leben lang reichen müsste«, schnaubte er widerwillig. »Geht ohne mich!«
    Der stumme Caspar gehörte zu den Reisenden. Als sie Cronberg verließen, sprang sein Hund wedelnd um Samuel, anstatt dem Herrn zu folgen – gleich so, als wolle er nicht von dem Zurückgebliebenen lassen. Da geschah das Merkwürdige, dass der ansonsten wortlose Caspar seine Stimme hob und nach dem Tier rief. Nie zuvor hatte er dergleichen getan – und Samuel sollte nie wieder seine Stimme vernehmen.
    Zurückgekehrt in den Gasthof, war er mürrisch und gereizt.
    »Nun«, herrschte er Andreas an. »Da du mich für den Größten hältst – meinst du, ich solle hier versauern?«
    Andreas zuckte zusammen. Lena lauschte unruhig.
    »Mein Vater ist gestorben«, murmelte Andreas und fühlte sich schuldig an des anderen schlechter Laune. »Er hat sein Vermögen zum großen Teil mir überlassen – darunter ein Gut im Salzburgerischen ... Dort sollst du Engel malen!«
    »Und wenn es mir noch immer nicht gelingt, damit die Menschen zu bewegen?«, unterbrach ihn Samuel unwirsch. »Wenn niemand meine Engelbilder haben will?«
    Bedrohlich nahe schritt er auf Andreas zu. Jener suchte an Lenas Seite Schutz.
    »Du warst lange genug in Cronberg«, beschwor er ihn vom sicheren Platze aus. »Du bist hier ein besserer Maler geworden. Und du hast hier gelernt, wie ein Leben auszusehen hat, das der Kunst geweiht ist. Du weißt nun, wie Künstler zusammenleben, wenn sie sich um einen Herrn und Meister scharen. Es wird Zeit, dass du dir ein eigenes Cronberg schaffst und dort der König bist.«
    »Und wie soll das geschehen?«, knurrte Samuel.
    Beschwichtigend wollte Lena eingreifen. Noch ehe sie die Stimme erheben konnte, kam Andreas ihr zuvor: »Komm mit mir, und suche dir einen ... einen wie Simon Grothusen, der die Stimme für dich erhebt. Du wirst in der Heimat Künstler um dich scharen, wie es dieserorts ein Anton Burger tut. Du wirst eine Gemeinschaft begründen, die größer und berühmter ist als jene von Barbizon und die kein anderes Ziel kennt, als vollendete

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