Engelsblut
Engel kraft menschlichen Blutes zu malen. Ja, einen wie Grothusen brauchst du dafür! Am besten ihn selbst!«
Samuel lachte höhnisch auf und wollte sich schon umdrehen. Da gewahrte er, dass Lena gebieterisch nach vorne trat, das Gespräch der beiden zu ihrem machte und forsch entschied: »Nein! Nein, nicht Grothusen!«
Verwirrt blickte Andreas sich nach ihr um. Anstatt ihm Stütze zu sein, widersetzte sie sich ihm. »Nein!«, wiederholte sie streng und absolut. »Er nicht!«
»Aber er hat Samuel als großen Maler erkannt«, warf Andreas störrisch ein, um Samuel zurückzuhalten, der scheinbar nachlässig an die Tür gelehnt verharrte. Er verstand ihr Widerstreben nicht. Lenas Begierde nach dem Doktor war ihm niemals aufgefallen, desgleichen nicht, wie heftig sie mit jenem gebrochen hatte. Umso deutlicher erinnerte sie sich daran, wurde rot und heiß und zornig.
»Nein!«, zischte sie erneut. »Er wollte Samuel nur für seine eigenen Zwecke nutzen. Er wollte reich werden an ihm!«
»Und wenn es so wäre«, hielt Andreas gegen sie. »Das ist sein gutes Recht, solange er auf diese Weise nicht nur sich, sondern auch Samuel nutzt. Wenn er an ihm verdient – umso besser! So wird er zusehen, Samuels Ruhm zu steigern.«
Lena vergaß, dass Samuel sie beobachtete, und packte Andreas unwirsch am Kragen.
»Dieser Grothusen soll mir nicht wieder vor die Augen kommen«, zischte sie. »Ich werde es nicht zulassen!«
Sie schüttelte Andreas, bis er schwankte und zurückstolperte.
»Willst mir doch nicht sagen, Lena«, rief Andreas dennoch trotzig, »dass dir an Samuels Wohl nichts liegt!«
»Du hast darüber nicht zu entscheiden!«
»Wie?«, rief er krächzend. »Darüber auch nicht? Willst du mir jede Entscheidung abnehmen? Du hast mich gezwungen, dass ich bei Samuel bleibe! Du hast mir nicht erlaubt, von hier wegzugehen! Nur deinetwegen habe ich zugelassen, dass diese verderbte Gier über mich gekommen ist. Samuel soll Engel malen! Und Grothusen soll zusehen, ihn groß zu machen!«
Lena bemühte sich, die körperliche Kraft zu nutzen, die ihr eigen war. Anstatt Andreas jedoch noch stärker an die Wand zu pressen, fühlte sie jäh, wie sie den schmächtigen Körper verachtete, der sich außer mit einer dünnen Stimme nicht zu widersetzen wagte, der nicht taugte, von ihren Händen gefasst zu werden, der nur ein müder Abklatsch von einem so viel Stärkeren war. Angewidert ließ sie von Andreas ab.
Samuel indessen trat gemächlich von der Tür zurück ins Zimmer und sah belustigt zu, wie aus Lenas Gesicht die Röte floh.
»Nicht Grothusen«, wiederholte sie matt.
»Ach Lenchen«, grinste Samuel, kniff die Augen zusammen und witterte ihre Furcht und ihr Begehren nach dem fernen Doktor. »Ach Lenchen. Willst mir doch nicht weismachen, dass du den Doktor scheust! Ich würde es für ein lustiges Spiel halten – nach jenem zu suchen, der sich von mir verraten glaubt.«
Lena schüttelte den Kopf. »Du warst es, Samuel, der ihn lächerlich gemacht hat, nicht ich. Er hasst dich.«
»Und wenn dem so wäre!«, gab Samuel grinsend zurück. »Der Vorschlag hat sein Gutes. Wer wollte mich von hier fortreißen, wenn nicht du, Andreas? Und wer hat ihm Mut gegeben, mich dazu zu bringen, wenn nicht du, Lena? Kehre ich aber heim, so brauche ich dort die Hilfe eines Meisters des Wortes.«
Lena duckte sich. »Du schaffst allein, berühmt zu werden! Du bist erfahren geworden!«
»Nein«, sagte Samuel, vergaß sein Grinsen und sprach fortan kühl. »Ich schaffe es nur mit einem wie Grothusen. Vielleicht hatte jener Recht. Vielleicht braucht mein Bild sein Wort, und wir vermögen in dieser Welt nur gemeinsam zu bestehen.«
In die Enge getrieben, packte sie Wut. »Aber selbst wenn er bereit wäre, in deinen Dienst zu treten«, zischte sie böse. Sie trat auf Samuel zu, um ihn zu packen wie Andreas und ihn solcherart von seinem Willen abzubringen. »Er würde ja doch auf nichts anderes sinnen, als dir heimzuzahlen, dass du ihn bloßgestellt hast.«
»Fass mich nicht an!«, wehrte jener sie rüde ab. »Fass mich bloß nicht an! Willst du jemanden berühren, so nimm den Doktor!«
»Aber er verachtet mich wie dich!«
»Gut«, endigte Samuel und drehte sich weg. »Gut – so wollen wir wetten, wem von uns beiden er welches Unrecht mehr verübelt.«
Er sprach kein weiteres Wort mehr, das seinen überhasteten Aufbruch aus Cronberg erklärt hätte. Er drängte zum Gehen, als gäbe es nichts, was ihn hielte, was er Cronberg verdankte und
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