Engelsblut
aus der Ferne rufen. »Oder wagst du dich nicht ins kalte Wasser, du Memme? Es ist nur anfangs kühl. Es wird warm, je länger man sich drinnen aufhält!«
Vielleicht war es Samuels Stimme, die nach ihm rief, vielleicht aber war es die eines anderen – Andreas konnte keinen Unterschied ausmachen. Er wusste nicht, wie Samuel lachte, kreischte, schwamm. Er wusste nur, dass jener nackt war.
Alles an ihm begann zu kleben. Die Hitze wurde stechend, sein Kopf schwindelte ihm.
»Zieh dich aus!«, rief man ihm zu. »Zieh dich aus!«
Andreas verkroch sich in seine Kleidung, hängte sich eine schwere Jacke um und fühlte lieber seine Haut darunter ersticken, als einen Flecken Stoff abzugeben.
Jetzt verließ Samuel immer noch nackt die Niddafluten, lief zu ihm hin, fasste ihn an – spielerisch leicht wie seine Gefährten, gleich so, als hätte er nie beschlossen, keinen Menschen zu berühren und nur mehr Engel zu malen.
»Nun zier dich nicht! Komm zu uns!«, rief er lachend. Sein Glied baumelte vor Andreas’ Gesicht; das eigene wurde ihm noch steifer. Ich will hineinbeißen, dachte er, ich würde es so gerne zwischen meinen Lippen kosten!
Samuel kam noch näher.
»Fass mich nicht an!«, kreischte Andreas. »Du darfst dich nicht entkleiden! Es ist gegen alle Sitten!«
Seine Augen brannten. Er stürzte hoch, vergaß, die staubige Erde von seinen Hosen zu schütteln, und lief so schnell und hitzig, dass seine Füße Spuren in den Boden zu brennen schienen.
Heimgekommen schälte sich seine gerötete Haut, und sein Atem dampfte wie der ganze Körper. Ohne Wasser zu trinken, berichtete er Lena von dem schrecklichen Skandal, welcher ihm bewies, dass seine Entscheidung für Samuel nicht die beste Wahl, sondern nur eine beliebige gewesen war, dass ihn seine Liebe nicht länger vor seiner abartigen Gier schützte und dass er verloren war, wenn Samuel nicht länger seine Berührungen mied.
»Samuel zeigt sich mir nackt!«, rief er. »Samuel zeigt sich mir nackt!«
Sein Schluchzen unterbrach seine Worte. Damit sie besser verstehen könne, griff Lena nach seinem Kopf und hielt ihn zwischen ihren Händen fest.
»Samuel gehört zu ihnen!«, fuhr Andreas fort. »Er mag sich dem engsten Kreis um Anton Burger widersetzen, aber er gehört zu Cronberg und unterscheidet sich nicht von der restlichen Schar! Er malt nur mehr Menschen, längst keine Engel mehr! Ach Lena! Was ist aus ihm geworden, ohne dass wir es verhindert haben?«
Widerstrebend hörte Lena ihm zu und entließ seinen Kopf aus ihren Händen. »Wer glaubst du, wer du bist!«, hackte sie auf ihn ein. »Warum soll’s dir erlaubt sein vorzuschreiben, auf welche Weise Samuel zu leben hat!«
Er drängte ihr den Kopf trotzig wieder auf und schmiegte sein Gesicht in ihren Schoß. »Deine Liebe riecht wie meine!«, bekundete er. »Und so war’s ausgemacht! Samuel indes wäscht sich den Schweiß ab und lebt, als gäbe es ihn nicht mehr. Er badet mit den andern! Er lässt zu, dass sie ihn nass spritzen und berühren! Dieses Gebaren steht ihm nicht! Es soll ihm nicht erlaubt sein!«
Sein Kopf hämmerte schmerzhaft, während Lena unwillig und ratlos auf ihn hinabblickte.
»Grothusen hat ihn ausersehen, ihn zum Größten zu machen«, setzte Andreas stur hinzu. »Aber Samuel hat Grothusen vertrieben und fügt sich dem Kreis, als hätte er stets dazugehört. Drei Jahre sind wir hier – und er versucht nicht mehr, die Wahrheit der Engel zu entblößen, sondern zeigt sich stattdessen selber bloß. Widerwärtig ist so ein Gehabe, schändlich, schamlos und seiner nicht würdig. Sollt er es beibehalten, so muss ich gehen!«
Tastend strich Lena ihm übers Haupt.
»Ruhig, ruhig«, murmelte sie und versuchte ihn nicht mehr durch Zorn, sondern mit Trost zur Räson zu bringen. »Ich werde dir nicht erlauben, mit Samuel zu brechen. Wir beide gehören zu ihm – ob er es will oder nicht. Wir beide teilen ein Schicksal!«
Sie sprach bestimmt, doch wiewohl ansonsten die Stärkere, nahm sie ihn nicht für sich ein.
»Aber wie soll ich es aushalten, dass er nicht einzigartig ist?«, entgegnete er weinerlich. »Dass er im Rudel läuft und Gefallen an den Körpern der Menschen findet? Was ist, wenn er sich morgen nicht nur badend unter sie mengt? Was ist, wenn er morgen umarmt und küsst und kost? Nein, nein, nein! Das sei ihm nicht gestattet! Das ist gegen alle Sitten!«
Er wollte sich losreißen, aber sie hielt ihn störrisch fest.
»Ich werde nicht zulassen, dass du dich von ihm
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