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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Fratze.

    »Nein!«, schrie Enrico und wollte sich abwenden. Er musste gegen eine unsichtbare Kraft ankämpfen, die ihn festhielt. Bei dem Versuch, sich loszureißen, strauchelte er und fiel am Rand des Abgrunds auf den Fels. Aber wenigstens blickte er nicht mehr hinunter auf den See. Er sah auf seine Hände und bemerkte die blutroten Male auf den Handflächen und Handrücken.
    Plötzlich nahm er aus den Augenwinkeln eine Gestalt wahr, die mit schnellen Sätzen herankam. Vanessa! Sie lief auf den Abgrund zu und schlug einen Haken, als hätte sie Augen im Hinterkopf. Der Feuerstoß aus der Uzi eines Wächters verfehlte sie nur knapp, und die Geschosse verloren sich über dem Abgrund. Enrico sah Vanessa in die Augen und erblickte darin die Bitte um Vergebung. Ihm war klar, was sie vorhatte. Er wollte ihr zurufen, es nicht zu tun, aber er brachte vor Schreck und Erschöpfung nur ein Krächzen zustande. Vanessa erreichte die Gruppe der Kardinäle. Die Wachen konnten nicht mehr auf sie schießen, ohne die kirchlichen Würdenträger zu gefährden.
    Lavagnino wollte sich erheben, vermutlich, um sich Vanessa entgegenzustellen. Sie aber umfasste ihn mit beiden Armen und riss ihn mit sich – in den Abgrund.
    Der Anblick der beiden über den Felsrand stürzenden Gestalten brannte sich unauslöschlich in Enricos Gedächtnis fest und erlöste ihn aus seiner Erstarrung. Er überwand seine Angst vor dem Dämon und starrte wieder hinunter auf den See. Das unheimliche Wesen, von dem er noch immer nicht wusste, ob es wirklich oder nur eingebildet gewesen war, blieb verschwunden.
    Auch von Vanessa und Lavagnino war nicht das Geringste zu sehen. Der See, der wieder vollkommen ruhig dalag, schien sie einfach verschluckt zu haben.
    Sein Herz krampfte sich zusammen, und er bedauerte jede Sekunde der vergangenen Stunden, in denen er Vanessa mit Missachtung, schlimmer noch, mit Verachtung gestraft hatte. Es war verlorene Zeit, und jetzt war es auch ein verlorenes Leben, für Vanessa wie für ihn. Um ihn herum verwandelte sich die andächtige Stille in ein vielfaches Stimmengewirr. Die Menschen sprangen auf, riefen durcheinander und starrten zu dem Felsenrand, über den ihr Anführer gestürzt war. Fragende Blicke richteten sich auf Ferrio und die übrigen Kardinäle, aber diese waren ebenso überrascht und ratlos wie alle anderen.
    Enrico schaute zu seinem Vater und zu Custos. Letzterer war in die Knie gegangen, als habe ihn eine ungeheure Anstrengung niedergedrückt. Er atmete heftig und starrte unverwandt auf den See. Tomás Salvati stand aufrecht, aber auch er wirkte mitgenommen. Enrico brauchte die beiden nicht zu fragen, ob sie den Dämon ebenfalls gesehen hatten. Er wusste, dass es so war. Vermutlich hatten nur die drei Engelssöhne ihn sehen können, und das war auch besser so, denn vermutlich konnten auch nur sie seinen Anblick ertragen.
    Alexander und Elena hatten das Durcheinander genutzt, um sich zu Enrico und den beiden Päpsten zu flüchten. Die Wachen, über die unerwartete Wendung ebenso perplex wie alle anderen, hatten sie laufen lassen.
    »Warum hat Vanessa das getan?«, fragte Elena. »Sie tat es für uns alle«, antwortete Enrico leise, und seine Stimme zitterte.
    »Und es war eine Wiedergutmachung.« In knappen Worten berichtete er von Vanessas Verrat. Plötzlich bebte der Boden unter ihnen. Viele Personen verloren den Halt und fielen hin.
    Custos wäre in den See gestürzt, hätten Enrico und sein Vater ihn nicht festgehalten. Von der hohen Felsendecke lösten sich kleine und größere Gesteinsbrocken, klatschten in den See oder krachten zwischen die verwirrten Menschen. Die Entsetzensschreie der Verletzten hallten durch den riesigen Felsendom.

    Custos rappelte sich auf und wandte sich an Ferrio: »Die ganze Höhle hier stürzt ein! Wir müssen so schnell wie möglich aus dem Berg raus, sonst sind wir alle verloren!«
    Ferrio blickte zögernd von Custos auf den See und wieder zurück zum Papst. Er wirkte, als schien er überhaupt nicht zu verstehen, was Custos sagte und was um ihn herum vorging. Der Schock über Lavagninos Tod musste tief sitzen. »Lavagnino wird nicht zurückkommen, und Sie werden niemals über die gefallenen Engel gebieten!«, herrschte der Papst ihn an. »Ihr Spiel ist aus, begreifen Sie das nicht? Wollen Sie den Tod von all diesen Menschen?«
    Ferrio schüttelte den Kopf und schien aus seiner geistigen Paralyse zu erwachen. »Ich zeige Ihnen den Weg nach draußen!«
    Immer wieder erbebte der Boden,

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