Engelsfluch
Einen Moment lang musste sie grinsen. »Wenn es einer von den dreien war, exekutieren Sie ihn dann?«
»Ja.«
»Keine Polizei?«
»Ich bin dazu befugt. Irgendwelche menschlichen Gesetzeshüter werden nicht mit hineingezogen.« Nach einer kurzen Pause: »Sie sind froh, wenn wir uns selbst darum kümmern. Wild gewordene Jäger treiben die Anzahl der Toten in die Höhe.«
»So wie Vampire.«
Obgleich er darauf nichts erwiderte, spürte sie in der gespannten Ruhe seines Körpers, dass er ihrer Meinung war. Eine unheimliche Stille senkte sich über die Nacht und sie setzten ihren Weg schweigend fort, bis Deacon in einer dunklen, verlassenen Straße hielt. »Von hier aus gehen wir zu Fuß weiter.«
Sara verstaute ihren Helm neben seinem und folgte ihm die Straße entlang zu einem Maschendrahtzaun. Ihre Miene verdüsterte sich. »Sieht nach einem Schrottplatz aus.«
»Ist es auch.«
Also das war nun wirklich seltsam. Jäger wohnten so gut wie nie an solch heruntergekommenen Orten. Dafür, dass sie bei ihrem Job buchstäblich Kopf und Kragen riskierten, wurden sie nämlich fürstlich entlohnt. »Jedem das seine.«
»Er hat einen Höllenhund.«
Sie musste sich wohl verhört haben. »Sagten Sie gerade Höllenhund?« Vor ihrem inneren Auge tanzten glühend rote Augen in giftigen Schwefelwolken, trieben Dreizacke sie in die Enge.
»So ein großes, schwarzes Ding, beißt einem wahrscheinlich den Kopf ab, wenn man es schief anguckt. Timothy nennt den Hund Luzifers Mädchen.« Deacon zog etwas aus seiner Jacke. »Betäubungspfeile.« Dann war er auf einmal verschwunden, und wenn sie es nicht selbst gesehen hätte, hätte sie nie geglaubt, dass er sich so schnell bewegen konnte.
Sie holte ihn ein und gemeinsam erklommen sie den Maschendrahtzaun, landeten lautlos auf der anderen Seite. Ohne Vorwarnung kam Luzifers Mädchen aus der Dunkelheit auf sie zugeschossen. Sara duckte sich reflexartig und die Hündin flog über sie hinweg … direkt auf den vorbereiteten Betäubungspfeil in Deacons Hand zu. Statt die Hündin fallen zu lassen, fing Deacon den kräftigen Körper auf und legte ihn sanft ab.
»Sie mögen sie«, sagte Sara ungläubig.
Deacon streichelte der Hündin über die Flanke. »Warum nicht? Sie ist stark und loyal. Falls ich Timothy ausschalten muss, wird sie ihr Herrchen vermissen.«
»Sie würden sie glatt adoptieren, oder?« Sie schüttelte den Kopf. »Damit machen Sie alle Chancen zunichte, jemals eine Frau zu bekommen.«
Deacon hob den Kopf und sah sie aufmerksam an. »Sind Sie kein Hundefan?«
»Ihre Reißzähne sind mindestens einen Meter lang.« Sie übertrieb nur ganz leicht. »Eine Frau müsste Sie schon sehr lieben, um das zu ertragen.« Mit dem Kopf deutete Sara jetzt auf das kleine Gebäude hinter dem Haufen aus Altmetall und Gott weiß was. »Sollen wir?«
»Ja. Luzy wird für eine Weile ausgeschaltet sein.«
Luzy?
Lautlos bahnten sie sich einen Weg durch den Schrott. Dabei achteten sie sorgsam auf versteckte Fallen. Als sie endlich bei der heruntergekommenen Hütte ankamen, die Timothy sein Heim nannte, war sie leer. Nachdem sie ein wenig an den Schlössern herumgespielt hatten, gelangten sie hinein, doch fanden sie drinnen nichts Auffälliges. Dass Tim nicht zu Hause war, wollte nichts heißen, denn Jäger hatten einen sehr unregelmäßigen Tagesablauf.
Sara beobachtete, wie Deacon etwas aus seiner Tasche holte und es an die Sohlen aller vorhandenen Schuhe heftete. »Sender«, erklärte er ihr. »Die Batterien reichen ungefähr zwei Tage. Wenn es also in den nächsten achtundvierzig Stunden zu einem Mord kommt und er ein Paar der präparierten Schuhe trägt, können wir alle seine Bewegungen nachvollziehen.«
»Wer steht als Nächstes auf der Liste?«
Er antwortete erst, als sie wieder über den Zaun waren. Natürlich hatte er es sich nicht nehmen lassen, Luzy noch einmal zu streicheln. »Der nächste ist Shah Mayur. Einzelgänger, erledigt seinen Job, scheint aber überhaupt keinen Kontakt zu seinen Kollegen zu haben.«
»Etwa so wie eine gewisse andere Person, die wir beide kennen?«
Deacon ignorierte ihre Bemerkung. Sie schwangen sich aufs Motorrad und brausten los.
Mit einem Grinsen auf den Lippen schmiegte sie sich an seinen warmen Rücken. »Wie sind Sie auf Shah gekommen?«
»Die Vampirschutzbehörde hat fünf Beschwerden gegen ihn eingereicht.«
Die VSB war ins Leben gerufen worden, um den Vorurteilen und Grausamkeiten gegenüber Vampiren Einhalt zu gebieten. Vor Gericht
Weitere Kostenlose Bücher