Engelsgesicht
nicht nur das Licht der Kerzen fing, sondern sich auch der Umriss ihres Körpers abzeichnete.
Lisa trat nicht näher an den Spiegel heran. Sie hatte noch etwas anderes vor. Das Blutbad war vorbei, und sie konnte mit den Resten des Bluts am Körper nicht herumlaufen. Es trocknete ein, es bildete Krusten. Aus diesem Grunde wollte sie es abwaschen, und dazu musste sie die Dusche benutzen, die sich ebenfalls in ihrem geheimnisvollen Raum befand. Es war die einzig moderne Errungenschaft, die sie sich in ihrem Verlies gönnte. Ansonsten wollte sie der Blutgräfin sehr nahe kommen. Lisa hatte einfach bei ihren Bädern das Gefühl, von einem anderen Geist umschwebt zu sein. Er war ihr fremd und doch so nahe.
Wenn man sie gefragt hätte, dann hätte sie vom Geist der Bathory gesprochen. Vielleicht war etwas von ihr aus der Hölle zurückgekehrt. Der Körper war auf jämmerliche Art und Weise vergangen. Man hatte sie einmauern lassen. Sie steckte in einem Verlies fest, in dem es nur eine kleine Öffnung gegeben hatte, durch die ihr Speisen und Getränke gereicht wurden. Vier Jahre hatte sie darin ausgehalten, dann war sie elendig gestorben.
So sollte es ihr nicht ergehen. Auf keinen Fall. Es waren andere Zeiten. Sie würde das, was die Bathory begonnen hatte, auf ihre Weise und auch besser fortführen.
Im Licht der Kerzen stieg sie in die Dusche und drehte das Wasser auf. Es floss aus dem breiten Duschkopf auf sie nieder. Die zahlreichen Tropfen gerieten in den Widerschein der Kerzen und bekamen eine völlig andere Farbe. Sie sahen plötzlich wertvoll aus. Wie goldene und leicht feurige Tropfen fielen sie nach unten und bildeten einen Mantel um den nackten Körper der Frau.
Sie genoss die Dusche. Trotzdem tat es ihr irgendwie leid, denn sie hatte das Gefühl, einen Teil ihres neuen Ichs wegzuspülen. Wieder strich sie mit den Handflächen über ihren Körper hinweg. Es war eine Stimulanz, die sie mochte. Wunderbar. Alles im grünen Bereich. Das Blut verschwand, und so glitten die Hände einzig und allein über ihre glatte Haut hinweg.
Ja, die Haut war glatt. Sie war einfach super. Sie war so eben. Sie war nicht mehr unrein. Das Blut hatte bereits seine Wirkung erreicht und die Veränderung der Haut auf den richtigen Weg geschickt.
Irgendwann stieg sie aus der Dusche und ging mit nassen Füßen zu einem in der Nähe stehenden Stuhl, über dessen Lehne ein großes Badetuch hing. Es war rot. Es war flauschig. Es schmeichelte ihrer Haut, wenn sie sich abtrocknete.
Lisa ließ sich Zeit dabei. Jede Bewegung wirkte irgendwie einstudiert. Sie kam jetzt gut mit sich selbst zurecht. Immer wieder glitt ihr Blick zum Spiegel hin, dessen Fläche allerdings zu weit entfernt lag, als dass sie sich gut hätte erkennen können.
Das lange schwarzbraune Haar war ebenfalls noch nass. Es machte ihr nichts aus. Sie würde es später trocknen. Erst einmal war es wichtig, dass sie vor den Spiegel trat und sich selbst darin betrachtete. Und zwar vom Kopf bis zu den Füßen.
Der erste Blick sorgte für keine hundertprozentige Zufriedenheit. Da brauchte sie einen zweiten und auch dritten, und sie musste dabei näher an den Spiegel herantreten.
Erst als sich die Flammen der Kerzen kaum mehr bewegten und das Badetuch um ihre Füße herum lag, da konnte sie sich so anschauen, wie sie es wollte.
Das Gesicht – der Körper, es war beides ein Traum. Glatt, jung. Wie regeneriert, aber trotzdem noch nicht so perfekt, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie brauchte noch viel mehr Blut. Das Gesicht sah bisher am besten aus. Es brachte tatsächlich etwas Engelhaftes rüber, aber es war auch noch nicht perfekt.
Sie würde daran arbeiten. Zeit hatte sie genug. Sie glaubte auch – es konnte auch Einbildung sein –, dass sich ein Schatten über ihr Gesicht gelegt hatte. Der Schatten, der von irgendwoher gekommen war und den sie nicht greifen konnte.
Die Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Lisa war stolz auf ihren Mund. Andere Frauen ließen sich die Lippen mit Collagen aufspritzen, das hatte sie nicht nötig. Ihre sahen von Natur aus so lockend und schon provozierend aus.
Lisa legte den Kopf zurück. Die Region am Hals war für sie sehr wichtig. Dort bildeten sich oft die meisten Falten, und da schaute sie sehr genau hin.
Obwohl sie auch diese Region immer wieder mit dem Blut der jungen Frauen bestrichen hatte, war sie auf keinen Fall zufrieden. Es waren doch einige Falten geblieben, und sie mussten weg.
Ihr Blick glitt mehr nach unten. Der
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