Engelskraut
verzog sich zu einer hässlichen Linie. »Diese dumme Pute! Die hat tatsächlich gedacht, sie könnte ihn mir abspenstig machen.«
»Ariane Bender hatte nie was mit ihrem Chef.« Diesen Kommentar konnte sich Franca nicht verkneifen.
»Klar hat sie dir das erzählt. Und klar, dass du das glaubst.«
Diese Fehleinschätzung würde wohl niemals richtiggestellt werden können. Immerhin hatte Ludmilla begonnen zu reden. Nun galt es, am Ball zu bleiben. »Du hast Jürgen Klaussner gebeten, nachts zu einem Blind Date in den Paradiesgarten zu kommen. Er war davon überzeugt, du seist eine fremde Frau.«
»Männer!« Milla schüttelte den Kopf. »Die kannst du alle in einen Sack stecken und draufhauen. Du triffst immer den Richtigen.«
»Hat Jürgen Klaussner dich wirklich nicht erkannt?«
Ludmilla lächelte. Es war ein merkwürdig entrücktes Lächeln. »Ich habe mich verkleidet, eine Perücke aufgesetzt, anders geschminkt – er hat nichts gemerkt. Männer sind so dumm. Wenn sie ein Abenteuer wittern, hört ihr Gehirn auf zu funktionieren.« Es sprach eine ungeheure Verachtung aus ihren Sätzen.
»Aber hat er dich nicht an deiner Stimme erkannt?«
»Ich habe kaum geredet. Und ich kann meine Stimme ganz gut verstellen. Es war dunkel und er hat nicht mit mir gerechnet. Er war überzeugt, eine neue Frau kennenzulernen, der er um den Bart gehen und die er belügen kann. Dir dürfte doch bekannt sein, dass Männer nur mit einem einzigen Körperteil denken. Und einen Liebestrank finden sie ungeheuer romantisch.« Nun kicherte sie wie ein kleines Mädchen.
Franca lief es eiskalt den Rücken hinunter. »Aber weshalb diese ganze Inszenierung im Paradiesgarten? Warum hast du ihn innerhalb eines der vergifteten Kreise auf einem Seidenkissen gebettet und Grableuchten aufgestellt? Und ihn wie Leonardos Vitruvmann präsentiert?«
Millas Gesicht spiegelte etwas wie Triumph. »Das hat euch ganz schön auf Trab gehalten, nicht wahr?« Sie grinste. Wenige Sekunden später wurde sie wieder ernst. «Ich bin Künstlerin«, antwortete sie kühl. »Und für ein Kunstwerk kann man nicht bestraft werden, oder?«
Franca blieb die Luft weg. »Hast du das schon öfter gemacht? Einen Mann zu einem solchen Date bestellt und ihm dann Gift verabreicht?«
»Quatsch!« Milla fuhr auf. Nun biss sie heftig auf ihren Fingernägeln herum, dass es blutete. »Tom war meine große Liebe. Ich konnte es einfach nicht ertragen, dass er … mich abschieben wollte.«
»Tom?«, wiederholte Franca. »Du meinst Jürgen Klaussner, der sich im Internet Tomtiger nannte.«
»Für mich war er immer nur Tom.«
Anschließend wollte Franca dennoch wissen, was sie vermeiden wollte zu fragen, und sie konnte die Anklage in ihrer Stimme nicht zurückhalten. »Warum, Ludmilla? Er war Familienvater. Er hinterlässt eine Frau und einen kleinen Sohn.«
»Was glaubst du, was mich das kümmert? Was weißt denn du, was er mir angetan hat? Er hat mich belogen und betrogen, er hat mich ausgenutzt, und als er mich leid war, hat er mich ausrangiert wie ein unnütz gewordenes Möbelstück. Das ist mir oft genug passiert im Leben. Irgendwann ist Schluss. Ich lasse mir so was nicht mehr gefallen. Nie wieder.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe. »Er hat mir furchtbar weh getan. Ich hatte das Gefühl, innerlich zu zerplatzen. Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen.«
»So wie Mecky damals?«
Milla zuckte zusammen, offensichtlich überrascht von dieser Wendung.
»Hat er dich wirklich vergewaltigt?«
»Du glaubst mir nicht«, erwiderte Milla. »Klar, dich trifft dann auch keine Schuld. Wenn ich nicht vergewaltigt wurde, hast du auch nicht kichernd hinterm Gartenzaun gestanden.«
Sie drehte die Wahrheit so, wie es ihr passte! Es kostete Franca unendliche Mühe, ruhig zu bleiben. »Hast du etwas mit seinem Tod zu tun?«
Milla lachte laut auf. »Kleine Mädchen vergewaltigt man nicht. Das hätte er wissen müssen.« Sie beugte sich ein wenig vor und stützte das Kinn auf ihre geballten Fäuste. »Ich sagte doch, dass Männer, die ein Abenteuer wittern, aufhören zu denken. Das war damals so. Das ist heute nicht anders.« Ihr Ton glich dem Zischen einer Schlange.
Ludmilla schwankte zwischen Sarkasmus und schwer unterdrückter Wut. Vielleicht konnte sie sich selbst nur so ertragen.
Franca versuchte verstandesmäßig, sich davon zu distanzieren. Dennoch war ihr dies alles andere als gleichgültig. Ihre gemeinsame Vergangenheit hatte Fäden gesponnen. Fäden, die ihre Leben
Weitere Kostenlose Bücher