Engelskuss und Weihnachtstraum - eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln
begann Emil bescheiden, »dann hab ich gegoogelt und Folgendes festgestellt. Erstens: Unter Morgenland versteht man in Europa den Erdteil, über dem morgens die Sonne aufgeht. Im Klartext sind das die Länder am östlichen Mittelmeer.«
»Zweitens«, fuhr Yasin fort, »befindet sich der Ort Bethlehem im »Morgenland«, einem Land am östlichen Ufer des Mittelmeers. Deshalb â¦Â«
» ⦠schlagen wir als Schauplatz unseres Musicals weder so was Uncooles wie einen Autobahnrastplatz noch eine urige Hütte in den Bergen hinter unseren Häusern vor, sondern â¦Â«
Die beiden lachten sich an, dann platzten sie heraus:
»Eine Karawanserei!«
Eine Weile warâs im Musiksaal totenstill.
Dann sagte Lilli verträumt: »Ãberall Ballen kostbarer Seide ⦠der Duft nach Weihrauch und Räucherstäbchen ⦠Gold und Edelsteine â¦Â«
»Kholumrandete Augen«, setzte Mareike hinzu, »Gesichtsschleier mit Perlenborten â¦Â«
»Pantöffelchen mit aufgebogener Spitze und durchsichtige Pluderhosen ⦠einfach himmlisch!« Amanda verdrehte wieder mal ihre Glubschaugen.
»Krummdolche«, fiel Mick plötzlich ein. »Sag mal, Yasin, tragen Araber nicht immer einen kostbaren Krummdolch im Gürtel?«
»Oje«, sagte Yasin und kratzte sich am Ohr. »Kannst du mir sagen, ob sich alle Deutschen eine Schwarzwälder Kuckucksuhr ins Wohnzimmer hängen?«
»Wieso?« Da dämmerte es Mick. »Sorry. Klar, heute trägt man einen Revolver, aber damals? Vor zweitausend Jahren?«
Wir lachten ihn aus, aber er lieà nicht locker. »Ich spiele einen Händler«, sagte er entschieden. »Komplett mit weiÃem Gewand, Krummdolch und Kamel.«
»Das brauchtâs bei dir nicht extra«, sagte Murat. »Wo du doch eh ein Kamel bist.«
Mick winkte nur ab. »Ich geb einen Händler oder gar nichts.«
Damit war das Thema Rollenverteilung auf dem Tisch, und Lilli, unsere Klassenqueen, hob die Hand. »Ich übernehme freiwillig die Maria. Und ihr â¦Â«, sie drehte sich zu ihren zwei allerbesten Freundinnen um, »singt natürlich die Engel. Mirja, wenn du willst, kannst du Engel Nummer drei sein.«
Unser Musiklehrer fuhr sich durch die Haare und setzte sich erst mal ans Klavier. »Das ist sehr freundlich von dir, Lilli, aber bevor wir die Rollen verteilen, beschäftigen wir uns mit Stimmbildung und üben die Chöre ein. Keine Widerrede; die Sommerferien waren lang, eure Stimmen sind eingerostet.« Er schlug ein paar Akkorde an und stand wieder auf. »Doch zuerst zum Orchester. Wir brauchen einen taktfesten Schlagzeuger. Mick? Bist du dabei?«
Mick nickte. »Wennâs sein muss. Dann fällt für mich die Rolle eines Händlers aber flach.«
»Paul, nimmst du noch Trompetenunterricht?«
Paul zeigte auf Yasin. »Er ist besser als ich.«
»Wir nehmen euch beide«, sagte Chris Löwenfeld.
Yasin spuckte einen Kaugummi ins Taschentuch. »Geht nicht. Ich bin der Wirt.«
»Das werden wir sehen. Zunächst spielst du im Orchester die Trompete. Murat? Trommel oder Xylofon? Was ist dir lieber?«
»Blöde Frage. Trommel natürlich.«
Lana und Lukas, unsere Zwillinge, spielen seit ewigen Zeiten Geige, sieben Mädchen Flöten, zwei das Glockenspiel, vier Jungs Gitarre und so ging es weiter, bis nur noch der Klavierpart übrig blieb, den sich keiner von uns zutraute.
»Ich frag mal herum«, sagte Chris Löwenfeld schlieÃlich. »Vielleicht bekommen wir ja Verstärkung aus anderen Schulen unseres Schulzentrums. Wenn nicht, ist das auch kein Problem. Dann spiele ich Klavier und dirigiere.«
Damit war die Stunde zu Ende. Seitdem üben wir eine Stunde pro Woche die Chöre ein, und natürlich sind alle von Mal zu Mal neugieriger, wer denn nun welche Rolle bekommen wird. Alle auÃer mir. Ich bin die Stütze im Sopran und scheide deshalb als Solistin von vornherein aus.
Und überhaupt, gegenüber Lilli mit ihrer kupfergoldenen Mähne bin ich nur ein mittelblondes mickriges Mäuschen. Trotz der hübschen Strähnchen in meinen langen Haaren. Ich bin nämlich, wie schon erwähnt, nicht besonders selbstbewusst. Wenn ich mir vorstelle: Ich mutterseelenallein auf der Bühne! Ich im Licht! Niemand, der mir die Hand hält! Aber unten â der Zuschauerraum voller Mütter, Väter, Kinder! Alles Leute, die mich
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