Engelskuss und Weihnachtstraum - eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln
kennen! Nicht zu vergessen die Lehrer!
Oh Gott!
Und dann Chris, der den Taktstock hebt und mir den Einsatz gibt ⦠Ich hole Luft, öffne den Mund ⦠und kein Ton kommt heraus! Hab den Text vergessen, weià nicht mehr, wie die Melodie geht ⦠Das Orchester, das noch ein paar Takte spielt ⦠die Zuhörer, die sich räuspern oder husten, dann kichern, schlieÃlich lachen, und mich zuletzt auspfeifen!
Mir wird heià und kalt, wenn ich nur daran denke, ich sollte auf der Bühne ein Solo singen! Das kann ich nicht; ich bin sicher, ich würde einen totalen Blackout erleiden. Würde mich bis auf die Knochen blamieren. Den Chor, das Orchester und unseren Musiklehrer Chris Löwenfeld dazu!
Also ich und die Maria singen? Never. Das wäre mein totaler Untergang â hundert Pro.
3. Dezember
N un aber zu Jonas, denn das mit dem Verlieben kam so:
Die mittelgroÃe Stadt, in der ich und meine kleine Schwester geboren sind, liegt im Voralpenland, direkt am FuÃe der Berge. Dort sind wir aufgewachsen, dort sind wir in den Kindergarten, in die Grund- und später dann auf die weiterführende Schule gegangen, und meine Freundinnen und Freunde wohnen noch dort. Nur meine Ma, meine Schwester und ich nicht mehr, denn unsere Eltern haben sich im Frühling getrennt. Im Sommer sind dann meine Ma, meine Schwester und ich in das kleine Dorf gezogen, weil da die Miete nicht so hoch ist. Früher konnten wir zu Fuà zur Schule gehen, jetzt müssen wir mit dem Bus fahren. Wenn ich mich mit meinen Freundinnen treffen möchte, zum Shoppen oder einfach nur so zu âner Latte und einem Schwatz, muss ich das Rad nehmen oder auf den Bus warten. Der fährt nur einmal am Nachmittag, was natürlich megablöd ist.
Trotzdem hat mir der Umzug Glück gebracht: Unser Schulzentrum in der Stadt mit Haupt- und Realschule und Gymnasium ist riesig. Wir teilen uns zwar den Pausenhof, doch normalerweise bleibt man unter sich. Jonas begegnete ich, weil er wie jetzt auch ich mit dem Bus zur Schule fuhr. Zuerst haben wir uns nicht mal angeschaut, dann haben wir uns zugenickt. Tage später setzte ich mich neben ihn, weil kein anderer Platz mehr frei war, und nach etwa einem Monat begleitete er mich zum ersten Mal nach Hause. Unser Häuschen liegt von seinem Hof, in dem er mit seiner Familie lebt, etwa hundert Meter entfernt; für ihn war das nur ein kleiner Umweg â für mich war es der Himmel auf Erden.
Es kam aber noch besser.
Kurz darauf bat er mich ums erste Date, danach trafen wir uns täglich und hingen im Dorf mit den anderen ab. Bis dann im Oktober ein satter Herbststurm übers Land fegte und wir uns in seine Scheuer flüchteten. Der Wind heulte, der Regel prasselte nur so aufs Dach â es war echt zum Fürchten. Jonas legte die Arme um mich und wollte wissen, ob ich Angst hätte. Ich nickte. Er sagte: »Wenn ich bei dir bin, passiert dir nichts.«
In diesem Augenblick heulte der Wind auf und ich meinte, jetzt würde er das Dach mit sich forttragen. Jonas lachte leise, zog mich an sich und legte seine Lippen auf meine Lippen. Obwohl es ein ganz zarter Kuss war, hörte ich nichts mehr vom Regen und vom Sturm; ich hörte nur noch Jonasâ Atem.
Nach diesem stürmischen und trotzdem himmlisch schönen Nachmittag wusste ich: Ich hatte mich schwer in Jonas verliebt â und er hatte sich in mich verliebt.
Ich tat alles, damit meine Mutter nichts mitbekam, denn seit sich meine Eltern getrennt hatten, nahm sie es mit der Aufsicht sehr genau.
Leider ist meine kleine Schwester furchtbar neugierig; immer wühlt sie in meinen Sachen herum, und neulich hat sie tatsächlich mein Handy in die Finger bekommen und Jonasâ SMS gelesen. Alle. Besonders natürlich die: »Treffen wir uns um sechs in unserer Scheune?«
Damit ist sie sofort zu unserer Mutter gerannt, und die machte mir gleich eine Szene, die sich gewaschen hatte. »Im Herbst ist es um sechs stockdunkel, Mirja! Was habt ihr in der Scheune getan? Sag mir das!!!«
Hätte ich sagen sollen: »Liebe Mutter, wir haben natürlich geknutscht.«
Ne, das geht gar nicht. Aber zu meiner Schwester habe ich gesagt, das Petzen würde ihr noch verdammt leidtun!
Das Schönste in unserem kleinen Häuschen ist der grüne Kachelofen, vor den wir unseren Esstisch gestellt haben. Er versöhnt mich mit dem Umzug aufs Land. Denn wenn ich im Rücken die Wärme spüre und dabei
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