Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
Vom Netzwerk:
trat näher. »Was ist los?«
    Das Gesicht verzerrt, schüttelte Daniel den Kopf. Dann zuckte er zusammen und schrie vor Schmerz auf, was Luce noch nie zuvor erlebt hatte. Sie versteifte sich.
    »Daniel?«
    Als er sich entspannte und seinen Flügel wieder ausstreckte, hielt er etwas Weißes und Schimmerndes in der Hand.
    »Ich hätte das schon früher tun sollen«, murmelte er.
    Es sah aus wie ein Streifen Stoff, so glatt wie Seide, aber steifer. Es war etwa dreißig Zentimeter lang und einige Zentimeter breit und es zitterte in dem kalten Wind. Luce starrte es an. War das ein Flügelstreifen, den Daniel abgerissen hatte? Sie schrie entsetzt auf und griff danach, ohne nachzudenken. Es war eine Feder!
    Wenn man Daniels Flügel betrachtete, von ihnen umschlungen wurde, vergaß man, dass sie aus einzelnen Federn bestanden. Luce hatte immer angenommen, dass ihre Beschaffenheit rätselhaft und jenseitig sei, der Stoff aus Gottes Träumen. Aber diese Feder war anders als jede andere, die Luce zuvor gesehen hatte: breit, dicht gefiedert, belebt von der gleichen Macht, die durch Daniel floss.
    Es war das Weichste und doch Stärkste, was Luce je berührt hatte, außerdem das Schönste – bis sie das Blut an der Stelle sah, wo Daniel sich die Feder ausgerissen hatte.
    »Warum hast du das getan?«, fragte sie.
    Daniel übergab die Feder Phil, der sie ohne Zögern an das Revers seines Trenchcoats steckte.
    »Es ist ein Zeichen«, erklärte Daniel. »Falls die anderen vor uns eintreffen, werden sie wissen, dass die Outcasts Freunde sind.« Er folgte ihren Augen, die groß vor Sorge waren, zu der blutverschmierten Stelle seines Flügels. »Mach dir um mich keine Gedanken. Es wird verheilen. Komm mit.«
    »Wohin?«, wollte Luce wissen.
    »Die Sonne wird gleich aufgehen«, antwortete Daniel und nahm eine kleine Ledertasche von Phil entgegen. »Und du musst am Verhungern sein.«
    Luce merkte erst jetzt, dass ihr Magen knurrte.
    »Ich dachte, wir könnten einen Moment für uns haben, bevor die anderen auftauchen.«
    Von dem Plateau führte ein steiler, schmaler Pfad zu einem kleinen Vorsprung unterhalb der Stelle, wo sie gelandet waren. Sie stiegen vorsichtig den zerklüfteten Felsen hinab, Hand in Hand, und als es zu steil wurde, um zu gehen, glitt Daniel hinunter, wobei er sich dicht am Boden hielt, die Flügel angelegt.
    »Wir wollen die Wanderer nicht erschrecken«, erklärte er. »An den meisten Orten der Erde sind die Menschen nicht bereit, Wunder oder Engel zu sehen. Wenn sie einen Blick auf uns im Flug erhaschen, reden sie sich ein, dass ihre Augen ihnen Streiche spielen. Aber an einem Ort wie diesem …«
    »Können Menschen Wunder sehen«, vollendete Luce den Satz für ihn. »Sie wollen sie sehen.«
    »Richtig. Und Sehen führt zu Grübeln.«
    »Und Grübeln führt zu …«
    »Ärger.« Daniel lachte ein wenig.
    Luce konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und freute sich, dass Daniel zumindest für einige Augenblicke ihr eigenes Wunder war.
    Sie setzten sich nebeneinander auf die kleine, flache Stelle mitten im Nirgendwo, von einem Granitbrocken gegen den Wind geschützt und von niemandem zu sehen außer einem hellbraunen Rebhuhn, das zwischen den rauen Felsen umherlief. Luces Blick glitt über die sich rasch verändernde Landschaft: ein Ring aus Bergen, ein Gipfel im Schatten, ein anderer im Licht, die mit jeder Sekunde heller wurden, als die Sonne über den rosafarbenen Horizont stieg.
    Daniel zog den Reißverschluss der Tasche auf und spähte hinein. Dann schüttelte er lachend den Kopf.
    »Was ist so komisch? Was ist drin?«, wollte Luce wissen.
    »Bevor wir Venedig verlassen haben, habe ich Phil gebeten, ein paar Sachen aus dem Schrank einzupacken. Das kommt dabei raus, wenn man es einem blinden Outcast überlässt, ein nahrhaftes Mal vorzubereiten.« Er zog eine Packung Pringles mit Paprikageschmack heraus, einen roten Beutel Malteser, eine Handvoll Baci Pralinen, in silberne Folien verpackt, ein Päckchen Kaugummi, mehrere kleine Flaschen Diät-Cola und ein paar Päckchen mit Instant-Espresso.
    Luce brach in Gelächter aus.
    »Hilft dir das über die Runden?«, fragte er.
    Luce kuschelte sich an ihn und kaute einige der knusprigen Malteser, während sie zusah, wie der Himmel im Osten rosa wurde, dann golden, dann babyblau, und die Sonne über die fernen Gipfel und Täler stieg. Das Licht warf seltsame Schatten in die Spalten des Berges. Zuerst nahm Luce an, dass zumindest einige von ihnen Verkünder waren, doch

Weitere Kostenlose Bücher