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Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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    »Daniel.« Luce packte ihn an der Schulter. »Was ist mit der Bibliothek, in der wir zusammen waren? Erinnerst du dich?« Sie schloss die Augen und tastete sich mehr fühlend als denkend durch eine nicht besonders tief vergrabene Erinnerung. »Wir sind übers Wochenende nach Wien gekommen … Ich weiß nicht mehr, wann, aber wir haben Mozart die Zauberflöte dirigieren sehen … in dem Theater an der Wien? Du wolltest diesen Freund von dir besuchen, der in einer alten Bibliothek gearbeitet hat, sein Name war …«
    Sie brach ab, denn als sie die Augen öffnete, starrten die anderen sie ungläubig an. Niemand, am allerwenigsten Luce, hatte erwartet, dass sie diejenige sein würde, die wusste, wo sie das Desideratum finden würden.
    Daniel erholte sich als Erster. Er ließ sein seltsames Lächeln aufblitzen, das voller Stolz war, wie Luce wusste. Aber Arriane, Roland und Annabelle sahen sie weiter staunend an, als hätten sie plötzlich erfahren, dass sie Chinesisch sprach. Was sie ja auch tat.
    Arriane wackelte mit einem Finger im Ohr. »Muss ich mit den psychedelischen Drogen aufhören oder hat sich LP gerade ohne Vorsagen an eine der entscheidendsten Stellen aller Zeiten aus einem ihrer früheren Leben erinnert?«
    »Du bist ein Genie«, sagte Daniel und küsste sie leidenschaftlich.
    Luce errötete und beugte sich vor, um den Kuss ein wenig in die Länge zu ziehen, aber dann hörte sie ein Räuspern.
    »Im Ernst, ihr zwei«, sagte Annabelle. »Ihr werdet genug Zeit zum Knutschen haben, wenn wir diese Sache durchgezogen haben.«
    »Ich würde ja vorschlagen, ›nehmt euch ein Zimmer‹, aber ich fürchte, dann würden wir euch nie wiedersehen«, fügte Arriane hinzu, worauf sie alle in Gelächter ausbrachen.
    Als Luce die Augen öffnete, hatte Daniel die Flügel weit ausgebreitet. Sie wischten abgebrochene Gipsstückchen mit den Spitzen weg und verstellten die Sicht auf die Waage-Engel. Die schwarze Ledertasche mit dem Heiligenschein hatte er sich über die Schulter geschlungen.
    Die Outcasts sammelten die verstreuten Sternenpfeile wieder ein und steckten sie in die silbernen Köcher. »Guten Flug, Daniel Grigori.«
    »Dir auch.« Daniel nickte Phil zu. Er drehte Luce um, sodass sie sich mit dem Rücken an seine Brust lehnte und seine Arme bequem um ihre Taille lagen. Sie verschränkten die Hände über ihrem Herzen.
    »Die Stiftsbibliothek«, sagte Daniel zu den anderen Engeln. »Folgt mir, ich weiß genau, wo sie ist.«

Neun
    Das Desideratum

    Nebel umgab die Engel. Sie flogen über den Fluss, vier Flügelpaare, die bei jedem Schlag ein gewaltiges Wusch! erzeugten. Sie hielten sich nah genug am Boden, sodass der gedämpfte orangefarbene Schein der Natriumdampflampen wie die Beleuchtung einer Landebahn aussah. Doch sie setzten nicht zur Landung an.
    Daniel war nervös. Luce konnte es in seinem ganzen Körper spüren: in seinen beiden Armen um ihre Taille, in seinen Schultern, die hinter ihren lagen, selbst in der Art, wie seine breiten Flügel über ihnen schlugen. An seinem Griff konnte sie seine Anspannung ablesen, und sie wusste, wie er sich fühlte. Sie brannte genauso darauf, die Stiftsbibliothek zu erreichen wie er.
    Nur einige wenige Landmarken stachen aus dem Nebel hervor. Da war der hohe Turm der gewaltigen gotischen Kirche, und dort das unbeleuchtete Riesenrad, dessen leere rote Waggons in der Nacht schwankten. Da war die grüne Bronzekuppel des Palastes, wo sie nach ihrem Eintreffen in Wien gelandet waren. Aber Moment – sie waren bereits am Palast vorbeigekommen, vor einer halben Stunde vielleicht. Luce hatte versucht, nach Olianna Ausschau zu halten, die der Waage-Engel bewusstlos geschlagen hatte. Sie hatte sie auf dem Dach nicht gesehen und sie sah sie auch jetzt nicht.
    Warum flogen sie im Kreis? Hatten sie sich verirrt?
    »Daniel?«
    Er antwortete nicht.
    In der Ferne läuteten Kirchenglocken. Sie läuteten zum vierten Mal, seit Luce, Daniel und die anderen sich durch das zerstörte Oberlicht im Museum aufgemacht hatten. Sie waren schon seit langer Zeit unterwegs. Konnte es wirklich drei Uhr morgens sein?
    »Wo ist sie?«, murmelte Daniel leise und legte sich nach links in die Kurve. Er folgte der Spur des Flusses, dann entfernte er sich von ihr, um über einer breiten Allee, die mit dunklen Kaufhäusern gesäumt war, zu segeln. Luce hatte auch diese Straße schon gesehen. Sie flogen im Kreis.
    »Sagtest du nicht, du wüsstest genau, wo sie ist!« Arriane brach aus der Formation aus, in der

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