Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
Vom Netzwerk:
bestickt war. Das Band hing von einer schweren silbernen Glocke herunter.
    Sie streckte die Hand aus und zog.
    Den Engeln stockte der Atem. Luce schlug die Augen auf.
    Dort, auf der Nordseite der Straße, wurde die Reihe moderner Stadthäuser genau in der Mitte von einem kleinen braunen Haus durchbrochen. Rauch stieg aus dem Schornstein auf. Das einzige Licht – abgesehen von den Flügeln der Engel – war der fahle gelbe Schein einer Lampe in dem Fenster an der Vorderseite des Hauses.
    Die Engel landeten leise auf der verlassenen Straße und Daniel lockerte seinen Griff um Luce. Er küsste ihr die Hand. »Du hast dich erinnert. Gut gemacht.«
    Das braune Haus hatte nur ein Geschoss, während die umliegenden Stadthäuser drei Stockwerke hoch waren, sodass man hinter dem Haus Parallelstraßen sehen konnte, die mit weiteren modernen weißen Stadthäusern gesäumt waren. Das Haus war eine Anomalie: Luce betrachtete sein Strohdach, das Gartentor mit Rosenbogen vor dem Rasen voller Unkraut, die gewölbte, asymmetrische Haustür aus Holz, all dies ließ das Haus aussehen, als gehörte es ins Mittelalter.
    Luce trat darauf zu und fand sich auf einem Gehsteig wieder. Ihr Blick fiel auf das große Bronzeschild, das in die Lehmwand gedrückt war. Es war eine Gedenktafel, auf der in großen Lettern eingemeißelt stand: STIFTSBIBLIOTHEK, GEGR. 1233.
    Luce betrachtete die ansonsten normale Straße. Recyclingcontainer quollen über vor Plastikflaschen, Kleinwagen parkten so dicht hintereinander, dass ihre Stoßstangen sich berührten, Schlaglöcher übersäten die Straße. »Also befinden wir uns auf einer echten Straße in Wien …«
    »Genau«, sagte Daniel. »Wenn es Tag wäre, würdet ihr die Nachbarn sehen, aber sie könnten euch nicht sehen.«
    »Gibt es viele Patinas?«, fragte Luce. »War da eine über der Hütte, in der ich auf der Insel in Georgia geschlafen habe?«
    »Sie sind höchst ungewöhnlich. Eigentlich kostbar.« Daniel schüttelte den Kopf. »Diese Hütte war nur die beste sichere Zuflucht, die wir so kurzfristig finden konnten.«
    »Eines armen Mannes Patina«, meinte Arriane.
    »Zum Beispiel das Sommerhaus von Mr Cole«, fügte Roland hinzu. Mr Cole war ein Lehrer an der Sword & Cross. Er war sterblich, aber er war ein Freund der Engel gewesen, seit sie an die Schule gekommen waren, und jetzt, da Luce fort war, deckte er sie. Es war Mr Cole zu verdanken, dass ihre Eltern sich nicht noch mehr um sie sorgten als sonst.
    »Wie werden sie hergestellt?«, fragte Luce.
    Daniel schüttelte den Kopf. »Das weiß niemand außer dem Künstler der Patina. Und davon gibt es nur sehr wenige. Erinnerst du dich an meinen Freund Dr. Otto?«
    Sie nickte. Der Name des Doktors hatte ihr auf der Zunge gelegen.
    »Er hat hier einige Hundert Jahre gelebt – und selbst er wusste nicht, wie diese Patina hierher gekommen ist.« Daniel musterte das Gebäude. »Ich weiß nicht, wer jetzt der Bibliothekar ist.«
    »Lasst uns gehen«, sagte Roland. »Wenn das Desideratum hier ist, sollten wir es schnellstens finden und Wien verlassen, bevor die Waage sich neu formiert und uns aufspürt.«
    Er schob den Riegel des Tores hoch und hielt es auf, sodass die anderen hindurchgehen konnten. Der Kiesweg, der zu dem braunen Haus führte, war von wilden purpurnen Freesien und weißen Orchideen überwuchert, die die Luft mit ihrem süßen Duft erfüllten.
    Die Gruppe erreichte die schwere Holztür mit ihrem Bogenrand und dem flachen Eisenklopfer und Luce ergriff Daniels Hand. Annabelle pochte an die Tür.
    Im Haus rührte sich nichts.
    Dann schaute Luce nach oben und entdeckte einen Glockenzug, genauso geflochten wie der, den sie in der Luft geläutet hatte. Sie sah Daniel an. Er nickte.
    Sie zog, und die Tür ging langsam und knarrend auf, als hätte das Haus selbst sie alle erwartet. Sie spähten in den von Kerzenschein erhellten Flur, der so lang war, dass Luce nicht sehen konnte, wo er aufhörte. Das Haus war viel größer, als man es von außen vermutet hätte, die Decken waren niedrig und gewölbt wie ein Eisenbahntunnel. Alle Wände bestanden aus schönen zartrosa Ziegelsteinen.
    Die anderen Engel schlossen sich Daniel und Luce an, den beiden einzigen, die schon einmal hier gewesen waren. Daniel überschritt als Erster die Türschwelle in den Flur und hielt Luce an der Hand. »Hallo?«, rief er.
    Kerzenlicht flackerte auf den Ziegelsteinen, während die anderen Engel eintraten, und Roland schloss hinter ihnen die Tür. Als sie weitergingen,

Weitere Kostenlose Bücher