Engelslicht
gekommen.«
»Hab ich’s doch gewusst!«, krähte Arriane. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und schlug Annabelle, die höflich an einem Scone knabberte, auf den Rücken. »Sobald ich dich gesehen habe, wusste ich, dass alles gut werden würde. Du hast das Desideratum, stimmt’s oder habe ich recht?«
»Nein, Liebes.« Dee schüttelte den Kopf.
»Was … dann?«, fragte Daniel.
»Ich bin das Desideratum.« Sie strahlte. »Ich habe so lange darauf gewartet, in den Dienst berufen zu werden.«
Zehn
Sternenpfeil im Staub
»Sie sind das Desideratum?« Luce fiel das Gurkensandwich aus der Hand, das von der Teetasse abprallte und einen Klecks Mayonnaise auf der Spitzendecke hinterließ.
Dee lächelte sie glücklich an. Da war ein beinahe schelmischer Glanz in ihren goldenen Augen, der aus ihr trotz ihrer vielen Hundert Jahre wieder ein junges Mädchen machte. Als sie eine glänzende Strähne roten Haares in ihren Knoten zurückschob und allen Tee nachschenkte, war es schwer zu begreifen, dass dieses elegante, lebendige Wesen gleichzeitig de facto ein Artefakt war.
»So sind Sie also zu dem Spitznamen Dee gekommen, nicht wahr?«, fragte Luce.
»Ja.« Dee wirkte erfreut. Sie zwinkerte Roland zu.
»Dann wissen Sie, wo der Ort des Sturzes ist?«
Die Frage ließ alle aufhorchen. Annabelle setzte sich kerzengerade hin und reckte den langen Hals. Arriane tat das Gegenteil und rutschte tiefer in ihren Stuhl, die Ellbogen auf dem Tisch, das Kinn in die Hände gestützt. Roland beugte sich vor und schob sich die Dreadlocks hinter eine Schulter. Daniel hielt Luces Hand umklammert. War Dee die Antwort auf jede Frage, die sie hatten?
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich kann euch helfen herauszufinden, wo der Sturz stattgefunden hat.« Dee stellte ihre Teetasse auf den Unterteller. »Die Antwort liegt in mir, aber ich bin außerstande, sie so auszudrücken, dass sie für euch oder für mich zu verstehen ist. Nicht bis alle Teile an Ort und Stelle sind.«
»Wie meinen Sie das, ›an Ort und Stelle‹?«, fragte Luce. »Woher werden wir wissen, wann das passiert?«
Dee ging zu dem Kamin hinüber und schob das herausgefallene Holzscheit mit einem Schürhaken wieder ins Feuer. »Ihr werdet es wissen. Wir alle werden es wissen.«
»Aber Sie wissen zumindest, wo das dritte Objekt ist?« Roland reichte einen Teller mit Zitronenscheiben herum, nachdem er eine in seinen Tee getan hatte.
»Das tue ich in der Tat.«
»Unsere Freunde«, begann Roland, »Cam, Gabbe und Molly sind nach Avignon gegangen, um danach zu suchen. Wenn Sie ihnen dabei helfen könnten, es aufzuspüren …«
»Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Engel jede Reliquie selbst finden müssen, Sie Blitzbirne.«
»Ich dachte mir schon, dass Sie das sagen würden.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte Dee. »Bitte, nennen Sie mich Roland.«
»Und ich dachte mir schon, dass Sie das fragen würden. Roland.« Sie lächelte. »Ich bin froh, dass Sie es getan haben. Es gibt mir das Gefühl, als würden Sie darauf vertrauen, dass ich Ihnen helfen werde, Luzifer zu besiegen.« Sie legte den Kopf schief und sah Luce an. »Vertrauen ist wichtig, meinst du nicht, Lucinda?«
Luce schaute in die Runde der gefallenen Engel, die sie vor Ewigkeiten an der Sword & Cross kennengelernt hatte. »Ja.«
Sie hatte einst ein ganz anderes Gespräch mit Miss Sophia geführt, die Vertrauen als einen schlechten Ratgeber beschrieben hatte, im schlimmsten Fall kostet es das Leben. Es war unheimlich, wie sehr sich die beiden äußerlich ähnelten, während die Worte, die aus ihren ungleichen Seelen sprachen, gegensätzlicher nicht hätten sein können.
Dee griff nach dem Heiligenschein in der Mitte des Tisches.
»Darf ich?«
Daniel reichte ihn ihr hinüber, und Luce wusste aus Erfahrung, dass er sehr schwer war. In Dees Händen schien er nichts zu wiegen.
Dees schlanke Arme waren kaum lang genug, um seinen Goldrand zu umfassen, aber sie drückte den Heiligenschein an sich wie ein Kind. Ihr schwaches Spiegelbild sah ihr aus dem Glas entgegen.
»Ein weiteres Wiedersehen«, sagte sie leise zu sich selbst. Als Dee aufschaute, konnte Luce nicht erkennen, ob sie zufrieden oder traurig war. »Es wird wunderbar sein, wenn das dritte Objekt in eurem Besitz ist.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, erwiderte Arriane und goss sich etwas aus einer dicken silbernen Flasche in den Tee.
»Das ist Urgroßvaters Spruch!«, sagte Dee mit einem Lächeln.
Alle lachten, wenn auch
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