Engelslicht
um und schob den Wagen wieder den Flur hinunter. Luce und die Engel mussten rennen, um Schritt zu halten, während Dees Absätze durch den Gang klapperten und in einen großen Raum abbogen, dessen Wände aus dem gleichen rosa Ziegelstein bestanden. Ein helles Feuer brannte in der Ecke. Im Raum stand ein polierter Esstisch aus Eiche, an dem sechzig Personen Platz gefunden hätten, und darüber hing ein riesiger Kronleuchter aus einem versteinerten Baumstamm, der mit Hunderten funkelnder Kerzenleuchter aus Glas geschmückt war.
Der Tisch war bereits mit feinem Porzellan für mehr Gäste gedeckt, als zu ihrer Gruppe gehörten. Dee machte sich daran, die Tassen mit dampfendem bernsteinfarbenem Tee zu füllen. »Es geht hier sehr ungezwungen zu, setzt euch einfach, wo ihr wollt.«
Nach einigen vielsagenden Blicken von Daniel trat Arriane schließlich vor und berührte Dee – die einen Berg Sahne in einen Kelch gab und mit Früchten bestückte – leicht am Rücken.
»Es ist so, Dee, wir können leider nicht zum Tee bleiben. Wir sind etwas in Eile. Sieh mal, …«
Daniel trat vor. »Haben Sie die Neuigkeiten über Luzifer gehört? Er versucht, die Vergangenheit auszulöschen, indem er die Heerschar der Engel von der Zeit des Sturzes in die Gegenwart transportiert.«
»Das würde das Beben erklären«, murmelte Dee, während sie eine weitere Teetasse füllte.
»Sie können die Zeitbeben auch spüren?«, fragte Luce.
Dee nickte. »Aber die meisten Sterblichen können das nicht, für den Fall, dass du dich das gefragt hast.«
»Wir sind gekommen, weil wir den ursprünglichen Ort des Sturzes finden müssen«, erklärte Daniel, »den Ort, an dem Luzifer und die Heerschar des Himmels erscheinen werden. Wir müssen ihn aufhalten.«
Dee wirkte seltsam unbeirrt von der Nachricht und fuhr fort, die Gurkensandwiches aufzuteilen. Die Engel warteten auf ihre Antwort. Ein Holzscheit im Feuer splitterte, zerbrach und fiel von dem Rost.
»Und alles, weil ein Junge ein Mädchen liebte«, sagte sie endlich. »Ziemlich beunruhigend. Das weckt wirklich die schlimmsten Seiten in all den alten Feinden, nicht wahr? Die Waage löst sich vom Himmel, die Ältesten töten Unschuldige. Zu viele Unannehmlichkeiten. Als hättet ihr gefallenen Engel nicht schon genug um die Ohren. Ihr müsst wirklich schrecklich müde sein.« Sie schenkte Luce ein beruhigendes Lächeln und forderte sie erneut mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen.
Roland zog den Stuhl an der Stirnseite des Tisches vor, damit Dee Platz nehmen konnte, und ließ sich zu ihrer Linken nieder. »Vielleicht können Sie uns helfen.« Er bedeutete den anderen, seinem Beispiel zu folgen. Annabelle und Arriane setzten sich neben ihn und Luce und Daniel nahmen an der anderen Seite des Tisches Platz. Luce umschloss Daniels Hand.
Dee verteilte die Teetassen. Als das Porzellangeklapper und Löffelgeklirre nachließ, räusperte sich Luce. »Wir müssen Luzifer aufhalten, Dee.«
»Das will ich doch hoffen.«
Daniel ergriff Luces Finger. »Im Augenblick suchen wir nach drei Reliquien, die die frühe Geschichte der Gefallenen erzählen. Wenn sie zusammengebracht werden, sollten sie den ursprünglichen Ort des Sturzes offenbaren.«
Dee nippte an ihrem Tee. »Kluger Junge. Wart ihr erfolgreich?«
Daniel zog die Ledertasche hervor und öffnete den Reißverschluss, um ihr den Heiligenschein aus Gold und Glas zu zeigen. Eine Ewigkeit war vergangen, seit Luce in die versunkene Kirche getaucht war, um ihn von dem Kopf der Statue zu lösen.
Dee legte die Stirn in Falten. »Ja, ich erinnere mich daran. Der Engel Semihazar hat ihn erschaffen, nicht wahr? Er hatte schon immer einen schlechten Geschmack. Es gab keine geschriebenen Texte, die er hätte parodieren können, sodass er diese Statue als eine Art Kommentar zu der dummen Art machte, in der sterbliche Künstler versuchen, das Leuchten der Engel darzustellen. Amüsant, nicht wahr? Stellt euch vor, einen hässlichen … Basketballring auf dem Kopf zu tragen. Zwei Punkte und so weiter.«
»Dee.« Arriane griff in die Tasche und zog Daniels Buch hervor, dann blätterte sie es durch, bis sie die Notiz am Rand gefunden hatte, die von dem Desideratum handelte. »Wir sind nach Wien gekommen, um das hier zu suchen« – sie zeigte auf die Stelle, die sie meinte –, »das Begehrenswerte. Aber uns läuft die Zeit davon, und wir wissen nicht, was es ist oder wo wir es finden können.«
»Wie herrlich. Ihr seid genau an den richtigen Ort
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