Engelslied
Frau so wohl fühlte.
Mele lachte. »Sie sind meine Schwestern im Herzen, ich kann doch nicht auf mich selbst eifersüchtig sein.«
Raphael: Nur für den Fall, dass du das in den falschen Hals bekommst: So zivilisiert bin ich nicht, wenn du beschließt, dir Konkubinen anzuschaffen! Im Gegenteil: Dann werde ich zur Mörderin. Darauf kannst du dich auf jeden Fall schon mal einrichten.
Wie schade.
Ganz der unterkühlte Erzengel, unterbrach Raphael nicht eine Sekunde lang seine Unterhaltung mit Astaad. Er sah noch nicht einmal auf.
Dann werde ich den Piloten wohl bitten müssen, die Ladeluke aufzumachen und meine erwählten Damen über Bord zu werfen.
Hey! Du hast neuerdings richtig Humor, ich warne dich! Darüber sprechen wir noch!
Trotz der Warnung warf sie ihm ein liebevolles Lächeln zu und plauderte weiterhin mit Mele, während Raphael und Astaad listenreich versuchten, einander Geheimnisse zu entlocken, ohne die eigenen preiszugeben.
Die beiden Paare trennten sich. Im Weitergehen legte Raphael besitzergreifend die Hand auf Elenas Rücken. »Ich glaube, Astaad hast du dir zum Freund gemacht.«
»Astaad? Ich habe die ganze Zeit mit Mele geredet.«
»Du hast als Gemahlin eines Erzengels Astaads Lieblingskonkubine mit echtem Respekt behandelt. Dabei betrachten selbst viele Engel, die nur Engel sind, Konkubinen als unter ihrer Würde.«
Wie vielschichtig die gesellschaftlichen Strukturen der Engelswelt waren. So manches darin entzog sich Elenas Logik. »Astaad und Mele hängen offensichtlich aneinander.« Sie hatte Liebe gespürt. Vielleicht nicht die Art Liebe, die sie mit Raphael verband, aber trotzdem Liebe. »Wenn ich mir das so ansehe, würde ich sagen, ihre Beziehung ist gesünder als die von Neha und ihrem Gemahl.«
»Zweifellos.« Aber Raphael war nur noch halb bei der Sache. Er konzentrierte sich auf jemanden, der vor ihm und Elena aufgetaucht war, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das mehr als nur formell höflich war. »Tasha.«
23
»Raphael!« Die Engelsfrau, die vor ihnen stand, hatte lebhafte grüne, schräg stehende Augen und seidige, kupferfarbene Flügel, dazu tiefdunkle Haare – eine kräftige Farbgebung, die ihre fast durchsichtig blasse Haut hervorragend zur Geltung brachte. Alles in allem konnte man fast schon von einem dramatischen Effekt sprechen. Sie streckte die Arme nach Raphael aus, als dieser sich zu ihr vorbeugte – ; und dann musste Elena miterleben, wie diese Fremde ihrem Gemahl einen liebevollen Kuss auf die Wange gab.
Als Nächstes wandte sich die Schöne, immer noch strahlend, an Elena. »Und das ist deine Gemahlin? Es ist mir eine solche Ehre, Sie kennenzulernen.«
»Tasha und ich sind schon sehr lange befreundet«, erklärte Raphael mit einer Wärme, die Elena noch nie zuvor bei ihm erlebt hatte, wenn es um einen anderen weiblichen Engel ging. »Wir haben als Kinder in Amanat zusammen gespielt.«
»Weißt du noch, wie wir beschlossen haben, jeden einzelnen Feigenbaum in der Stadt zu plündern?« Lieblich tönendes Lachen, blitzende Augen. »Deine Mutter war so wütend! Sie hat uns gezwungen, jeder zehn Feigenbäume zu pflanzen. Ich sehe dich noch mit deinem kleinen Spaten in der Hand, das ganze Gesicht voller Erde und Laub in den Haaren!«
Was für ein wundervolles Bild: ihr Raphael als ungezogener kleiner Junge. Elena musste lächeln, obwohl ihr all ihre Instinkte zur Wachsamkeit rieten. Diese Tasha war anders als Michaela, die weder aus ihrem Verlangen nach Raphael noch aus ihrer Verachtung für Elena einen Hehl machte. Diese Tasha war ganz Lachen, ganz Wärme, während sie gleichzeitig Raphael sehr geschickt an ihre lange gemeinsame Geschichte erinnerte, der Elena nichts entgegenzusetzen vermochte.
Elena war ihre eigene Reaktion instinktiv zuwider. So sehr, dass sie sich fragen musste, ob sie der anderen nicht ein klein bisschen unrecht tat. Aber da legte diese Tasha mitten in einer weiteren Anekdote aus gemeinsam verbrachten Kindertagen Raphael die Hand auf den Unterarm, und alles war klar. Solche Spielchen spielte Elena selbst nie und hätte sie einer anderen Frau normalerweise auch nicht durchgehen lassen, aber an diesem Abend ging es erst einmal um wesentlich wichtigere Dinge. Trotzdem war sie froh, als Tasha sich von ihnen abwandte, weil sie von einer Freundin gerufen wurde.
Wenige Sekunden später hob Raphael plötzlich ruckartig den Kopf. »Lijuan ist hier.«
Elena folgte seinem Blick, konnte aber außer hellem Sternenlicht am Himmel
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