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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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aufgehalten. Das weiß er genau, er ist sich ganz sicher, ich konnte es hören.« Er schwieg kurz. »Ich vermute inzwischen stark, dass Jason das Unmögliche möglich gemacht und Lijuan an ihrem höchst eigenen Rückzugsort aufgespürt hat.«
    Elena schnappte erschrocken nach Luft, denn sie wusste, in welche Gefahr sich Jason damit begab. Sollte er entdeckt werden, dann würde er seinen Ausflug nicht überleben, Lijuan wusste nur zu gut, wie treu die Sieben Raphael ergeben waren. Raphael selbst war nicht allzu besorgt. Sein Meisterspion ging schon keine unnötigen Risiken ein, da auf ihn jetzt seine Prinzessin wartete, und dieser würde sein Tod wohl wirklich das Herz zerreißen.
    »Aber wenn es nicht Lijuan war …« Elena dachte nach, verstand langsam, was vorgegangen sein mochte. »Wenn es nicht Lijuan war, dann …«
    »Genau.« Raphael nickte. »Die Kaskade entwickelt sich schneller …« Der Satz blieb unbeendet, weil Aodhan, der zurzeit zusammen mit Illium für die Operationen des Turms zuständig war, das Bewusstsein seines Erzengels berührte.
Gibt es ein Problem?
    Erzengel Caliane hat Kontakt zu mir aufgenommen. Sie wünscht mit Ihnen zu sprechen, Sire.
    Ich setze mich von hier aus mit ihr in Verbindung.
Raphael berührte sanft Elenas Flügel, genau an der Stelle, in der das Mitternachtsdunkel der Federn in Indigo überging. »Caliane möchte mit mir sprechen. Vielleicht klären sich so ein paar Dinge.« Als einzige Uralte, die wach war und sich in der Welt bewegte, wusste seine Mutter einiges, was andernfalls in den Seiten der Geschichtsbücher verloren gegangen war.
    »Ich stelle mich so hin, dass sie mich nicht sieht!«, sagte Elena, als die beiden vor den großen Bildschirm in Raphaels Arbeitszimmer getreten waren. Sie hatte sich den Morgenmantel aus himmelblauer Seide übergeworfen, den Raphael ihr anlässlich ihres Geburtstags als Sterbliche geschenkt hatte und dessen Farbe den schimmernden Glanz ihrer Haut auch jetzt wieder besonders gut zur Geltung brachte.
    »Elena, du bist meine Gemahlin!« Raphael war die Verärgerung deutlich anzuhören.
    Andere hätten bei diesem Ton angefangen zu zittern, Elena blieb unbeirrt. »Du kennst sie doch, du weißt, wie sie ist. Sie ist bestimmt viel mitteilsamer, wenn sie sich nicht durch meine Anwesenheit beleidigt fühlen muss.« Lächelnd lehnte sie sich neben einem gerahmten Bild an die Wand und blies ihrem Erzengel einen schelmischen Kuss durch die Luft zu.
    Raphael seufzte.
Darüber reden wir später noch.
Erst einmal galt es, den Anruf durchzustellen. Seine Mutter verabscheute zwar weiterhin sämtliche Aspekte moderner Technologie, hatte aber verstanden, dass einiges davon doch ganz nützlich sein konnte. Das war zu erwarten gewesen, denn Caliane mochte zwar die Lebensart vergangener Jahrhunderte vorziehen, die sie als »zivilisierter« bezeichnete, hatte es aber immerhin geschafft, eine Uralte zu werden. Und das brachte niemand zuwege, der sich ausschließlich in der verstaubten Vergangenheit versenkte.
    Auf dem Bildschirm tauchten zwei blaue Flammen auf. Das Haar seiner Mutter war wie ein schwarzer Fluss, ihr Gesicht die Vorlage, aus der sein eigenes erschaffen worden war. »Mutter«, sagte er. Noch hatte sich sein Herz nicht ganz daran gewöhnt, dass sie wieder atmete, dass er, sollte er es wünschen, zu ihr fliegen und die Berührung der Hände spüren konnte, die ihn in seiner Kindheit so oft in den Schlaf gewiegt hatten … und die ihn einsam und zerschunden auf einem blutüberströmten Feld fernab jeder Zivilisation zurückgelassen hatten.
    »Raphael. Ich hörte von den Vorfällen in deiner Stadt.« Ihre Hände hoben sich zu einer vertrauten, liebevollen Geste. »Wie geht es deinen Leuten?«
    Keinem anderen Erzengel hätte er die Wahrheit anvertraut, aber seine Mutter hatte im Kader nie jemanden außer ihren Sohn unterstützt, sah man einmal davon ab, was sie ihm früher einmal angetan hatte. »Wir trauern«, gestand er leise. Als Antwort spiegelte sich sein eigener Schmerz in ihrem Gesicht.
    Caliane hatte ihn gelehrt, wie ein Erzengel herrschen soll. Selbst als der Wahnsinn sie in seinen Klauen hatte und alles verzerrte, was er über seine Mutter wusste, hatte er eines nie vergessen: sie war ein Erzengel, der von seinen Leuten geliebt wurde. Er war nicht wie sie – er weckte eher Furcht als alles andere in den Herzen seiner Leute – aber auch seine Männer und Frauen wussten, dass er unerbittlich und voller Zorn kämpfen und alles geben würde, um

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