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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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ändert das einiges und zwar drastisch.«
    Elena verließ Raphael, damit er in aller Ruhe mit dem anderen Erzengel reden konnte, und flog los, um sich während der großen Pause in Eves Schule heimlich mit ihrer Schwester zu treffen. Die letzten E-Mails der Kleinen hatten einen besorgniserregenden Unterton gehabt, dem Elena auf den Grund gehen wollte. Zwar mochte die bekannte Welt bald in Scherben liegen, aber das hieß noch lange nicht, dass sie das kleine Mädchen, das sie brauchte, im Stich lassen würde.
    Weit kam sie allerdings nicht, denn schon kurz nach ihrem Abflug wuchs sich das dumpfe Pochen in ihren Schläfen, welches sie schon den ganzen Morgen über geplagt hatte, zu handfesten Kopfschmerzen aus. »Verdammt!« An diesen Kopfschmerzen trug allein sie selbst die Schuld, weil sie in der vergangenen Nacht nach all den Aufregungen nicht wieder zu Bett gegangen war. Und weil sie ihrem Körper mit dem unverzeihlichen Flug hinaus über das Meer einfach zu viel zugemutet hatte. Raphael hatte die körperlichen Schäden zwar geheilt, aber zu viel war manchmal eben einfach zu viel. Ihr geschundener Körper machte ihr unmissverständlich klar, dass sie sich ausruhen musste, denn sonst würde sie die Erschöpfung ohne Vorwarnung treffen und ihr einen empfindlichen Schlag versetzen.
    Zu den pulsierenden Kopfschmerzen gesellten sich jetzt scharfe Stiche.
    Elena seufzte. Von Migräne geplagt würde sie ihrer Schwester keine Hilfe sein. Sie musste den Besuch verschieben und versuchen, Eve nach der Schule abzupassen, ehe Jeffrey nach Hause kam. Eves Mutter Gwendolyn wusste, dass ihre Tochter die Beratung und Unterstützung einer älteren Jägerin brauchte und würde Elena den Umgang mit ihrem Kind nicht verwehren.
    Statt also zur Schule zu fliegen, steuerte Elena ihr Haus in der Enklave an, wo Montgomery ihr anbot, ihr ein Mittagessen zuzubereiten, und besorgt die Stirn runzelte, als sie dankend ablehnte. Der Butler erinnerte sie daran, dass sie auf Anweisung des Heilers regelmäßig stark proteinhaltige Mahlzeiten zu sich nehmen sollte, um ihr Hineinwachsen in die Unsterblichkeit zu unterstützen, und sie versprach ihm, das Mittagessen gleich nach ihrer Schlafpause nachzuholen. Dann eilte sie nach oben.
    Zehn Minuten später hatte sie sich ohne Waffen und Stiefel, aber immer noch in ihrem Lederanzug auf der Bettdecke ausgestreckt, um mit einem kurzen, aber intensiven Schlaf dafür zu sorgen, dass sie den Rest des Tages unbeschadet überstand.
    Auch diesmal träumte sie, aber so ganz anders als in Amanat, wo sie an ihrem Traum fast zerbrochen wäre. Diesmal gab es weder Blut noch Tod, noch verzweifelte Schreie.
    »Da bist du ja.« Marguerite, die am Küchentisch einen Kuchen zusammenrührte, sah auf. Sie hatte Mehl an den Wangen, wahrscheinlich, weil sie sich bei dieser Arbeit so oft die Haare aus dem Gesicht gestrichen hatte. Ihre hellen, blassblonden Haare, die Elena von ihr geerbt hatte.
    »Eingefangenes Sonnenlicht« – so hatte ihr Vater diese Haarfarbe genannt.
    »Setz dich,
chérie
, unterhalte dich ein bisschen mit deiner Mama.«
    »Mama?« Elena drohte vor ungläubiger Freude das Herz zu zerspringen, als sie die Küche durchquerte, um am Tisch gegenüber von dem wunderschönen Schmetterling, der ihre Mutter war, Platz zu nehmen. »Was machst du hier?«
    »Wie albern du bist, meine Elena!« Marguerites lange, kunstvolle Ohrringe klingelten im Takt zu ihrem fröhlichen Lachen. Wie schön dieses leise Klingeln war, wie viele Erinnerungen an ihre Mutter Elena damit verknüpfte. »Deine Schwester hat morgen Geburtstag! Warum schneidest du mir nicht die schwarzen Kirschen klein?«
    Halb benommen nahm sich Elena das kleinste Messer auf dem Tisch – ein anderes erlaubte ihr die Mutter nicht zu benutzen – und schnitt die bereits entkernten Kirschen in kleine Stücke. Von Zeit zu Zeit sah sie hoch: War das richtig so? Sie hatte diesen Augenblick schon einmal durchlebt, nur war sie damals so klein gewesen, dass sie beim Sitzen auf dem Küchenhocker noch nicht mit den Füßen auf den Boden hinabreichte. Auch ihre Finger waren kleiner gewesen. Und am Küchentisch hinter ihr hatte ihre Schwester Belle gesessen.
    Elena hatte mit ihr plaudern wollen – über irgendeine Fernsehshow, wenn sie sich richtig erinnerte. Aber das hatte ihr nur ein unwilliges Grummeln eingetragen. »Schweig, du Wickelkind!«, hatte Belle geknurrt. »Ich sitze hier an einem ellenlangen Aufsatz für die Schule, und es geht um Romeo und Julia. Davon

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