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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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sich bei der Verneigung teilte.
Genau wie deins!
    »Sire«, sagte der unbekannte Kämpfer. »Wir wurden gerufen – wir kamen.«
    Raphaels Antwort wurde von einer eiskalten Windböe begleitet, die durch die wie ausgestorben wirkende, stille Stadt fegte. »Wer so tapfer kämpft, sollte nicht knien.«
    Der Graue erhob sich bei Raphaels Worten sofort. Jetzt, aus der Nähe, konnte Elena sehen, dass seine Iris eigentlich nicht grau war. Sie war nur so blass, dass sie sich kaum vom Weiß der Augen unterschied. Lediglich die schwarzen, stecknadelkopfgroßen Pupillen stachen hervor. Seine blassen Augen hätten eigentlich an die Lijuans erinnern müssen, was aber nicht der Fall war, denn wo aus Lijuans Augen Tod, Verwesung und Grausamkeit herausgeschaut hatten, war in diesen Augen so gut wie nichts zu lesen. Sie ähnelten unbeschriebenen Schiefertafeln. Fast war es so, als hätte sich das Wesen, dem diese Augen gehörten, noch nicht entschieden, wer es sein wollte.
    »Du nennst mich Sire.« Schwer drückte Raphaels Flügel gegen den von Elena, als sie Seite an Seite vor der Silhouette ihrer Stadt standen und der stetig fallende Schnee wie ein hochwillkommener Kuss die heißen Wunden streichelte, die ihnen von der Schlacht geblieben waren. »Sag mir, warum.«
    »Wir hörten Ihre Stimme im Schlaf.« Eine flache, fast tonlose Stimme. »Wir hörten nur die Stimmen des Sire und seiner Gemahlin.« Der Graue sah Elena an.
    »Elena.« Elenas Hals war ganz trocken – bis sie sich klarmachte, dass dieses tödliche Wesen ihr Freund und kein Feind war. »Du kannst mich Elena nennen.«
    Er sah sie an, als spräche sie eine ihm unbekannte Sprache. »Sie sind die Gemahlin.«
    Okay, Erzengel, ich glaube, das ist jetzt eher dein Job.
    Ich bin mir nicht sicher, ob diese grauen Engel irgendjemandes »Job« sind, wie du so hübsch sagst.
»Wie nennt ihr euch?«
    »Wir …« Als der Graue schwieg, schwieg auch der Wind, und gar nichts mehr störte die Stille. »Wir sind die Legion.«
    Woraufhin Elenas Magen sich anfühlte, als habe ihm jemand einen Schlag versetzt. Als hätte sie soeben etwas ganz Schreckliches vernommen.
    Die Legion.
    Vor langer, langer Zeit hatte Raphael dieses Wort schon einmal gehört.
Mit der Legion droht man Engelskindern, wenn sie sich extrem schlecht benehmen,
sagte er zu Elena.
    Halte deinen Mittagsschlaf, sonst kommt die Legion dich holen? So wie der schwarze Mann?
    Genau. Nur scheint der schwarze Mann jetzt ziemlich real zu sein.
»Ihr seid doch schon vor Ewigkeiten aus der Welt verschwunden.«
    »Ja.«
    Raphael, sieh dir seine Augen an! Sie gewinnen an Farbe. Und zwar …
    Wirklich, der Graue war gar nicht mehr so grau. Sein Haar war dunkler geworden, und seine Iris umgab inzwischen ein feiner blauer Rand – das Blau von Raphaels Augen. »Ihr seid jetzt meine Legion.« Raphael brauchte nicht zu fragen, das Mal an seiner Schläfe verriet ihm mit feinem Summen, was er wissen musste. Diese Legion wartete auf seine Befehle. »Eure erste Aufgabe wird darin bestehen, meinen Truppen bei der Sicherung der Stadt zu helfen und Schäden am Turm zu reparieren.«
    Der Graue, der seine Flügel mit militärischer Präzision dicht an den Körper gefaltet hielt, nickte ruhig. »Sire.«
    »Du bist ihr Anführer, ich brauche einen Namen für dich.«
    Eine Pause. »Die erste Handschwinge bin ich nicht«, sagte der Graue schließlich. »Aber ich bin die Handschwinge.«
    »So sei es.« Raphael begriff, dass ihm hier eher ein Rang und kein Name genannt worden war. Diese Schwadron war keine gewöhnliche Engelsschwadron, das wurde immer klarer. Wenn sie denn überhaupt Engel waren. »Sag der Legion, sie sollen den Befehlen von Illium und Dmitri folgen, als wären es meine eigenen oder die meiner Gemahlin.« Raphael deutete mit dem Kinn auf die beiden anderen Männer. »Sobald der Rest meiner Gruppe der Sieben zurück ist, werde ich euch bekannt machen.«
    »Die Legion hat gehört und verstanden.«
    »Ich schätze eure Schwadron auf fünfhundert Mann. Stimmt das ungefähr?«
    »Fünfhundert erwachten beim dringenden Ruf des Sire. Zweihundert und siebenundsiebzig brauchen mehr Zeit. Sie werden eintreffen, sobald ihre Herzen schnell genug schlagen und sie fliegen können.«
    Das bedeutete siebenhundertsiebenundsiebzig Kämpfer, die als geschlossene und anscheinend nie ermüdende Einheit fungierten, die über tödliche Kräfte und beispiellose Heilfähigkeiten verfügten. Raphael hatte mit eigenen Augen gesehen, wie ein Legionär enthauptet

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