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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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den Fingerknöcheln sanft ihre Wange hinunter. Dort am Kiefer vollzog sich immer noch die Heilung einer schweren Verletzung, die sie sich während der letzten Schlacht zugezogen hatte. »Und auch du spürst es doch, meine ewig misstrauische Gemahlin.«
    Elena ließ die Arme sinken. »Die Überzeugung, dass die Legion zu uns gehört, ist wie ein kaum merkliches, aber stetes Pulsieren ganz hinten in meinem Kopf.« Silbergraue Augen richteten sich auf Raphaels Gesicht, Elenas Miene wirkte ernst. »Ich weiß auch, dass Handschwinge vor mir auftaucht, wenn ich ein bisschen zu lange über ihn nachdenke. Er taucht auf und ist bereit zu tun, was ich sage. An die Sache mit der Gemahlin gewöhne ich mich zwar langsam, aber mit solcher Macht umzugehen, dazu bin ich noch nicht bereit. Sie gehört dir.«
    Raphael nickte. »Ja, sie gehört mir.« Elena fehlte die nötige Erfahrung, um mit einer Kraft wie der Legion umzugehen. Mehr noch: Sie sollte das auch gar nicht tun müssen. Sie hatte bereits weitaus mehr Aufgaben aus dem Verantwortungsbereich einer Gemahlin übernommen, als in diesem frühen Stadium der Unsterblichkeit von ihr erwartet werden konnte. »Aber ich hoffe, du wirst mir mit deinem Rat zur Seite stehen, während ich den Umgang mit meiner neuen Armee erlerne.«
    Um Elenas Lippen zuckte es, während ihr Flügel den seinen kurz liebkoste. »Du kannst ruhig versuchen, mir den Mund zu verbieten!« Sie lehnte sich an ihn. »Warum du? Warum wir? Das versuche ich die ganze Zeit zu verstehen.«
    »Vielleicht kann uns Handschwinge deine Frage beantworten«, sagte Raphael, als der Anführer der Legion vor ihnen landete, als hätten sie ihn gerufen.
    Die Augen des Mannes waren bis auf den blauen Ring immer noch durchsichtig, was eine Wirkung erzielte, die laut Raphaels Gemahlin als seltsam schön zu bezeichnen war. Seine Haare waren zwischenzeitlich fast schwarz geworden, und seine Haut zeigte nicht mehr diese tödliche Blässe, sondern strahlte golden und gesund. Die ledernen Flügel hatten, bis auf die Stelle, an der sie ihm aus dem Rücken wuchsen, die Farbe von Blattgold angenommen.
    Dort, am Flügelansatz, spiegelten sie die Farben von Elenas Flügeln wider: das Schwarz der Nacht, das in Mitternachtsblau überging – das Mitternachtsblau wiederum floss in die Farbe des Blattgoldes hinein. Bei den Übrigen seiner Legion ging die Metamorphose langsamer vonstatten, war in ihrer Gesamtwirkung aber nicht weniger faszinierend. Mit jedem Tag, der verging, zeigten die Grauen mehr Farbe. Und die Farbpalette, aus der sie schöpften, war immer dieselbe.
    »Sire?«, meldete sich Handschwinge. »Sie haben uns gerufen?«
    »Nur dich«, sagte Raphael. »Die anderen mögen bleiben, wo sie sind.«
    Handschwinge nickte.
    »Meine Gemahlin hat eine Frage an dich.«
    Blau geränderte graue Augen richteten sich auf Elena, ohne zu blinzeln.
    »Warum Raphael und ich?« In Elenas Frage schwang die ganze leidenschaftliche Intensität ihres Lebens mit. »Warum nicht Elias und Hannah? Sie sind älter, sie sind schon länger zusammen.«
    »Ihr seid
Aeclari
, und die Legion darf nur
Aeclari
dienen.«
    Erzengel?
    Diesen Begriff kenne ich nicht, Elena.
»Erkläre uns das Wort
Aeclari.
«
    »Ihr seid
Aeclari
«, antwortete Handschwinge, als sei damit alles gesagt.
    Was meinst du: Beantwortet er mir die Frage, wenn ich auf ihn schieße?
    Raphael hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken.
Ich glaube, es geht darum, die richtige Frage zu stellen.
»Ihr steht in Verbindung mit der Kraft, die versucht hat, in mich einzudringen«, sagte er. Keine Frage, sondern eine Feststellung, denn das Mal an seiner Schläfe sagte ihm, dass es so war.
    »Wir sind der Aufbewahrungsort. Wir haben versucht, die Kraft an den Sire weiterzugeben, aber der Sire ist noch nicht bereit dazu.«
    Eine deutlichere Antwort hätte sich Raphael kaum wünschen können. Jetzt wurde ihm auch klar, wer in seinen Träumen geflüstert hatte. Er hatte verstanden, wie eng die Einzelnen in der Legion miteinander verbunden waren – als wären sie ein einziger Organismus, der lediglich in vielen einzelnen Teilen auftrat. »Was passiert, wenn ich bereit bin? Verschwindet ihr dann wieder?«
    »Nein. Dann sind wir befreit und können in der Welt bleiben oder wieder in unseren Schlaf zurückkehren. Wenn wir bleiben, werden wir getrennt und sind allein.«
    Raphael dachte über die Worte des Mannes nach – denn Handschwinge war
ein Mann, wenn auch noch nicht ganz vollendet – und verglich das Gehörte

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