Engelslied
Gesicht. »Sollte dieser Mechanismus versagt haben …«
In der Luft flammte Blau auf, als Illium, der sich mit Elena in Verbindung gesetzt hatte, während Keir die Leiche untersuchte, vor den beiden landete. Er hatte einen Leichensack mitgebracht, in dem der tote Vampir in die unter dem Turm gelegenen Forschungslabore gebracht werden sollte, und auf Elenas Bitte hin auch einen kleinen Behälter für Biogefahrengut sowie neue Atemschutzmasken und Handschuhe. Als sie ihn aufforderte, Sicherheitskleidung anzulegen, gehorchte er wider Erwarten ohne zu murren.
»Man muss das Haus niederbrennen«, verkündete er mit versteinerter Miene, nachdem er sich die Leiche angesehen hatte. »Vielleicht liegt die Infektionsursache in dem Gebäude, wir können da keine Risiken eingehen.«
Keir, das spürte Elena deutlich, wollte die Leiche so schnell wie möglich untersuchen. Und Illium wurde bei Raphael im Turm gebraucht. Also erklärte sie sich bereit, sich um alles Weitere zu kümmern und rief Ransom auf dessen Handy an, sobald Keir und Illium losgeflogen waren. »Ich sehe mir das Haus noch einmal an.« Danach würde sie wissen, ob und wie man es am besten zerstören konnte. »Ich muss das hier erst einmal zum Abschluss bringen.« Man musste die Krankheit aufhalten, wenn sie sich nicht bereits ausgebreitet hatte … »Wenn du also …«
»Ist schon in Ordnung«, unterbrach Ransom sie. »Ich komme zu dir. Die Spur ist so tot, die hat schon Leichenstarre. Wahrscheinlich hat es Darrell gar nicht bis hierher geschafft. Der Hintergrundbericht müsste bald eintreffen, dann wissen wir vielleicht, wo er sich sonst aufhalten könnte. In der Zwischenzeit können wir uns genauso gut im Haus umsehen.«
Mit frischen Masken und Handschuhen versehen suchten Elena und Ransom die Villa noch einmal gründlich ab, fahndeten nach irgendeinem Hinweis. »Wieso bist du eigentlich davon ausgegangen, dass wir Darrells Spur hier unter Garantie aufnehmen können?«, erkundigte sich Elena, während sie die beim Betreten des Hauses entdeckten Spritzen in dem Behälter für Biogefahrengut entsorgte.
»Der tote Vampir war keiner, der abhaute. Er hat nur von Zeit zu Zeit mal Heimweh bekommen, dann hat ihm sein Engel drei, vier Tage Zeit gelassen, ehe er ihn von einem Jäger abholen ließ.« Ransom klang, als täte ihm der Vampir leid, was haargenau Elenas eigenen Gefühlen entsprach. »In den Akten steht, er habe nie Widerstand geleistet, sondern sich tausendfach entschuldigt. Und er steckte immer voller Ideen, wie man das Haus hier renovieren könnte.«
Das ergreifende Porträt eines harmlosen Mannes, der den Tod nicht verdient hatte. Ebenso wenig wie die fünf Engel, die Nimras Schwadron gerade auf blumengeschmückten Bahren heimführte. In Elenas Bauch breitete sich zunehmend heiße Wut aus. Schweigend, mit grimmigen Mienen, beendeten die beiden Jäger ihre Durchsuchung.
»Ich kann dem hübschen Knaben nur zustimmen – die Bude hier gehört auf den Bratrost«, sagte Ransom endlich, als sie wieder vor der heruntergekommenen Villa standen.
»Du schimpfst Illium einen hübschen Knaben?« Elena schnaubte, froh, endlich mal wieder an etwas anderes denken zu können als an die schwere Wolke des Todes, die über der Stadt hing. »Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut?«
»Ich trage Narben, wie jeder anständige Mann!«
»Ja, ja, du bist ein zäher Bursche.« Elena stemmte die Hände in die Hüften und musterte das Haus, in dem der Vampir eines hoffentlich schnellen Todes gestorben war. »Ob Sara sauer wird, wenn wir es abfackeln? Wenn die Feuerwehr kommt, sagen wir: Tut uns echt leid, wir wissen auch nicht, wie das passieren konnte!«
»Lieber nicht, ich glaube, sie hat dir das mit dem Vampir, der sie neulich durch halb Manhattan jagte, noch nicht ganz verziehen.« Ransom strich sich nachdenklich über das Kinn. »Brandstiftung wäre allerdings eine prima Tarnung für alles. Das Haus lädt ja praktisch jeden Feuerteufel zum Kokeln ein.«
Eine Stunde später wurde das Haus dank Saras guter Beziehungen zu sämtlichen örtlichen Behörden von der Feuerwehr höchstpersönlich abgebrannt. Wie schön wäre es, dachte Elena, wenn sich die Krankheit, die die Zellen eines fast Unsterblichen so nachhaltig geschwächt hatte, ähnlich leicht entfernen ließe. Und damit die Bedrohung, die diese Krankheit für die Stadt darstellte.
Elena flog zum Turm, wo sie den Biogefahrengutcontainer abgeben und in ihren Privaträumen kurz duschen und sich
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