Engelslied
mehrere Millionen Dollar schweren Immobilie?«
»Meinst du das mit den mehreren Millionen ernst?«
»Wann stand in Manhattan das letzte Mal Land zum Verkauf?«, kam die Gegenfrage, begleitet von einem lässigen Zucken der breiten, im abgerissenen schwarzen Leder einer alten Motorradjacke steckenden Schultern. Zu der Jacke trug Ransom wie eh und je abgewetzte Jeans und ausgetretene, schwere Stiefel. »Die ganze Straße gehört zu einem Besitz. Es gibt Stadtentwickler, denen geht schon einer ab, wenn sie nur an diese Sahneschnitte denken.«
Elena stieß einen leisen Pfiff aus. »Da sitzt also jemand auf einer Goldmine.«
»Saß. Jetzt ist er tot.«
Sofort klopfte Elenas Herz schneller. »Aber doch nicht …?«
»Nein, Darrell war es nicht, dafür dürfte sich der Turm für diese Sache interessieren. Lass uns schnell reingehen und alles klären, damit wir mit der Jagd weitermachen können.« Ransoms scharf vorstehende Wangenknochen traten noch deutlicher als sonst hervor. Es war immer ein Zeichen dafür, dass er sich Sorgen machte.
Auch Elena wollte keine Zeit verschwenden, stieg die Stufen zur Veranda des Hauses aber trotzdem vorsichtig hinauf, denn sie traute ihnen nicht ganz. Ein Fehltritt, und sie landete womöglich unsanft auf ihrem Allerwertesten, was sie gern vermeiden wollte. »Wie kommen wir rein?« Der Hauseingang war mit Brettern vernagelt, und das nicht erst seit gestern: Die Nägel rosteten bereits und überall waren obszöne Schmierereien zu bewundern.
Ransom trug das glänzend schwarze Haar im Nacken mit einem Lederband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der wippte, als er mit dem Kopf nach links deutete, ehe er Elena um das Haus herumführte. »Ist mit deinen Engelsfreunden alles so weit in Ordnung? Wie geht’s diesem jungen, blonden, der dir auf Schritt und Tritt gefolgt ist wie ein verspielter Welpe?«
Stechende Schmerzen in Elenas Magen, während ihr Kopf sich verzweifelt gegen die Bilder von Izaks abgerissenen Beinen, seiner zerfetzten Haut wehrte. »Er ist schwer verletzt.«
»Scheiße! Er ist doch noch ein Kind!«
Mit einem dicken Kloß im Hals dachte Elena an den anderen jungen Soldaten, der es nicht geschafft hatte, dessen Familie jetzt Totenwache hielt und auf den Leichnam wartete. »Die Engelsfrau, die du vor einem Lastwagen gerettet hast, kommt durch«, sagte sie schnell. Sich jetzt nur nicht in sinnlose Wut hineinsteigern! »Es wird dauern, aber sie wird wieder ganz gesund.«
Ransom holte tief Luft. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie es schafft. Sie war …« Er schüttelte hilflos den Kopf. »Ich musste ihren Arm unter dem Lastwagenreifen vorklauben, Elena. Pass auf!« Er deutete auf ein zerbrochenes Bodenbrett. »Und mit dem, was ich heute gefunden habe, wird der Haufen Scheiße nur noch größer.«
Mist! Die Stadt brauchte wirklich nicht noch mehr Probleme. »Du hast Darrells Spuren bis hierher verfolgen können?«
»Darrell ist nicht gleich nach dem Totaldesaster mit der Mutter und dem Kind durchgedreht«, kam die überraschende Antwort. »Er ist ins Hauptquartier gekommen, hat sich psychologische Beratung geholt, auf alles richtig geantwortet und wurde mit einer todsicheren Rückholung beauftragt, damit er sich langsam wieder an die Arbeit rantasten konnte.«
Elena verstand durchaus zwischen den Zeilen zu lesen: Anscheinend hatte der psychologische Berater erkannt, dass bei Darrell möglicherweise noch nicht alles wieder stimmte und einen Einsatz empfohlen, bei dem der Jäger leicht erreichbar sein würde.
»Das Ganze hier gehört dem Vampir, den Darrell zurückholen sollte.« Fast geräuschlos zog Ransom seine Pistolen aus den Schulterhalftern, die er unter seiner Jacke trug. »Ich fand es sinnvoll, mit der Suche hier anzufangen, denn Darrell hatte tatsächlich noch einen Bericht geschickt, demzufolge er diesem Typen hier auf der Spur war.«
Auch Elena hatte sich bewaffnet, bevor die beiden um die Hausecke gebogen waren, und hielt ihre Wurfmesser in der Hand. Die rückwärtige Wand des Hauses lag jetzt vor ihnen. Besser gesagt: das, was davon noch übrig war. Die eine Hälfte war nämlich einfach verschwunden und hatte einen großen klaffenden Eingang freigelegt, in dem sich Straßenmüll, Blätter, benutzte Spritzen und alles Mögliche andere türmten, über das Elena lieber nicht zu genau nachdenken mochte. Ängstlich bemüht, ihre Flügel nur ja nicht durch diesen Unrat zu schleifen, tat sie den ersten Schritt ins Haus – wo ihr eine Ratte über die
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