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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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als sie sich die Schlinge um den Hals legte, und deswegen war Jeffrey immer noch wütend auf sie. Die Wut hätte ihm Elena verzeihen können. Aber er hatte zusammen mit Marguerites Sachen auch eines von ihren Kindern aus dem Haus geworfen, als gehöre diese Tochter ebenfalls auf den Müll. Das konnte sie ihm nicht vergeben.
    »Du weißt, warum ich hier bin«, sagte sie, bemüht, ruhig zu bleiben, nicht wieder zum kreischenden Teenager zu werden.
    »Du hattest nicht das Recht, Eve aus der Schule zu holen. Du besitzt keine Vollmacht dafür.«
    »Halt! Diesen Tanz werden wir heute nicht aufführen!« Die Eiseskälte in seinen Augen ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren, aber sie sprach tapfer weiter. »Eve hatte sich in irgendeiner Ecke der Schule verkrochen und weinte, deswegen ging ich zu ihr.«
    Jeffreys Haut spannte sich über den Wangenknochen, in seinem Kiefer zuckte es.
    »Und du weißt auch, warum!«, fuhr sie fort, gnadenlos in ihrer Liebe zu ihrer Schwester, die nun wirklich für gar nichts die Schuld trug. »Sie ist deine jüngste Tochter, dein Baby – und du hast ihr tatsächlich gesagt, sie soll dir aus den Augen gehen?« Elena machte keinen Hehl aus ihrer Wut, ihrem Abscheu. »Das machst du nicht noch einmal, Jeffrey. Nicht mit Eve! Du bist ihr Held, sie denkt doch, selbst der verdammte Mond scheint nur, weil du das so willst!«
    »Pass auf, welchen Ton du mir gegenüber anschlägst!«, herrschte er sie an, die Hände immer noch tief in den Taschen seiner Anzughose vergraben. »Meine Tochter geht dich gar nichts an!«
    »Sie ist meine Schwester, du Scheusal! Dasselbe Blut – schon vergessen?« Die alte Wut ließ ihre Stimme zittern, mit Ruhe und rationaler Beherrschtheit war es vorbei. »Du hast uns schließlich gezeugt
.
Und weißt du was? Mir ist das inzwischen total egal!« Eine Lüge, aber irgendwann, so hoffte sie inständig, würde es der Wahrheit entsprechen. »Aber Eve nicht, der ist es nicht egal. Also zeig mal etwas Rückgrat, und sei ein Mann!«
    »Elieanora!« Mit wenigen Schritten hatte er die Rasenfläche überquert und stand neben ihr, packte sie bei den Schultern, schüttelte sie, bis ihre Zähne aufeinanderschlugen. »So redest du nicht mit mir, ich bin immer noch dein Vater. So hat Marguerite dich nicht erzogen.«
    Zum ersten Mal in über zehn Jahren hörte sie ihn den Namen ihrer Mutter aussprechen. Eine Sekunde lang standen sie beide wie erstarrt, dann brannten bei Elena die Sicherungen durch. »Wag es nur nicht, sie da mit hineinzuziehen. Du hast schon vor langer, langer Zeit aufgehört, mein Vater zu sein.«
    Jeffreys Finger bohrten sich in ihre Schultern. Seine nächsten Worte stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich werde immer dein Vater sein – und ich wünschte bei Gott, es wäre nicht so!«
    Die Worte kamen wie ein heftiger Schlag. Elena zuckte zusammen. Endlich aber fiel ihr auch wieder ihre Ausbildung als Jägerin ein. Sie riss sich los, nicht, ohne ihm dabei einen empfindlichen Schlag mit den Flügeln zu versetzen. »Ach ja? Ich auch!« Wieso schaffte er es nur, sie so tief zu verletzen? »Was allerdings zwischen mir und dir ist, spielt keine Rolle. Das ist Schnee von vorvorgestern.«
    Der Vater, den sie geliebt hatte, war zusammen mit ihrer Mutter gestorben. Ihr war nur diese Hülle geblieben, dieser grausame Fremde, der so genau wusste, wie man mit einem einzigen Tritt gezielt ins weiche, empfindsame Herz eines Kindes trifft. »Aber du solltest dir gut überlegen, ob du diese Unterhaltung in zehn Jahren auch mit Eve führen willst.«
    Sie hätte es nicht tun sollen, sie hatte an diesem Tag ihre Flügel bereits einmal zu stark belastet, aber nun legte sie einen Senkrechtstart hin, um Jeffreys Antwort zu entgehen, als dieser erneut nach ihr griff. Und als ihr Tränen über die Wangen strömten, redete sie sich ein, die kämen von den Schmerzen in ihren Muskeln. Was nicht ganz falsch war, denn ihr Körper protestierte wirklich laut gegen die Misshandlung, die sie ihm antat.
    Zwei Minuten später riss hörbar krachend irgendwo eine Sehne. Na prima! Ransom würde sie jetzt wohl kaum mehr helfen können. Wenn sie nicht sogar in ihrer sinnlosen Wut einen fatalen Fehler begangen hatte.

7
    Sie schaffte es gerade so eben bis zu dem Balkon vor der Suite im Turm, die sie kaum fünfundzwanzig Minuten zuvor verlassen hatte. Ihre Landung verlief höchst unsanft, sie rutschte auf den Knien über den harten Betonboden, versuchte, den Schmerz der Landung so gut es

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