Engelslieder
Appetit, als Ben erwartet hatte. Er beglich die Rechnung, und sie gingen zurück ins Motel. Er hatte Autumn erzählt, dass er eine Pistole mitgenommen hatte. In all seinen Filialen wurden Waffen verkauft. Er hatte großen Wert darauf gelegt, den Umgang mit der Waffe zu lernen, und besaß eine Erlaubnis, sie bei sich zu führen. Eigentlich rechnete er zwar nicht mit Schwierigkeiten, aber immerhin war eine Frau getötet worden. Und Vorsicht war bekanntlich besser als Nachsicht.
“Dieser Ort hat irgendetwas an sich …”, sagte Autumn, als sie in ein sexy lavendelfarbenes Nachthemd schlüpfte, das Ben an etwas anderes als den Mord denken ließ. “Ich weiß nicht genau, was es ist, aber es ist als … als gäbe es etwas, das wir nicht bekommen.”
“Ja, ich weiß, was du meinst.” Ben zog Jeans und Hemd aus, ließ jedoch die Boxershorts an. Sie schliefen in unmittelbarer Nähe eines Mordschauplatzes, und keiner von beiden fühlte sich nackt wohl.
“Vielleicht solltest du eine Schlaftablette nehmen”, schlug er vor. “Du brauchst heute deinen Schlaf, und den wirst du sicher nicht bekommen, wenn du wieder von dem widerlichen Mord träumst.”
Autumn schüttelte den Kopf. “Das kann ich nicht. Ich könnte etwas erfahren, das der Polizei hilft – oder etwas, das uns zu Molly führt.”
Ben fuhr sich mit der Hand durch die Haare. “Mist, das gefällt mir nicht. Überhaupt nicht.”
“Nein, aber du weißt, dass ich recht habe.”
Seufzend kletterte er ins Bett und schlug die Decke zurück. “Komm her. Ich glaube, wir können beide eine Mütze Schlaf vertragen.” Er zog sie an sich, und sie legte den Kopf an seine Schulter. Sie waren müde und angespannt, und weder er noch sie hatte Lust auf Sex. Stattdessen schlossen sie die Augen und versuchten einzuschlafen.
Das Zimmer war vom Sonnenschein erfüllt, als Autumn langsam die Augen öffnete. Sie konnte es nicht fassen. Nachdem sie eingeschlafen war, hatte sie die gesamte Nacht durchgeschlafen, ohne zu träumen. Natürlich war das schon häufiger vorgekommen, sogar in letzter Zeit. Doch nun schlief sie in unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses, in dem der Mord begangen worden war, den sie in der Vornacht beobachtet hatte, und da grenzte es schon fast an ein Wunder, dass kein Albtraum sie heimgesucht hatte.
Erst als sie ein Geräusch am Türknauf hörte, bemerkte sie, dass Ben bereits aufgestanden und angezogen war. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür, während er in der einen Hand zwei Styroporbecher mit Kaffee balancierte.
Autumn schoss aus dem Bett und erwischte den oberen Becher gerade noch rechtzeitig, bevor er zu Boden fallen konnte.
“Gute Reaktion.” Er lächelte. “Danke.”
Sie sah ihn an. “Ich habe nicht geträumt, Ben.”
“Ja, das habe ich auch gemerkt, als ich aufwachte und es bereits Morgen war.”
“Ich frage mich, warum.”
“Wer weiß? Das ergibt alles keinen Sinn. Aber wir müssen davon ausgehen, dass deine Theorie stimmt und alle Träume zusammenhängen.”
“Was bedeutet, dass auch der Mord irgendeine Rolle spielt. Was sollen wir als Nächstes unternehmen?”
“Wir müssen uns Isaac Vreeland ansehen. Wenn wir Glück haben, stellt er sich als der blonde Mann auf deinem Phantombild heraus.”
“Wenn er es ist, wo sind dann die Mädchen? In den Zeitungsberichten werden keine Kinder erwähnt. Ich habe den Eindruck, die Vreelands waren erst seit wenigen Jahren verheiratet.”
“Millie sagte, Priscilla Vreeland war nicht sehr beliebt. Wenn der Mord kein Zufallsverbrechen war, gab es vielleicht jemanden, der sie genug gehasst hat, um sie umzubringen.”
“Aber wer, frage ich mich”, entgegnete Autumn. “Und warum?”
Er nahm den Deckel von seinem Kaffeebecher und nahm einen Schluck. “Isaac Vreeland wohnt bei einem seiner Cousins. Wir müssen herausfinden, wo dieser Cousin wohnt, und hinfahren.”
Es war nicht schwierig, George Vreeland ausfindig zu machen. Die Fernsehteams verfolgten den Ehemann des Mordopfers auf Schritt und Tritt, als nähmen sie an einer großen Jagd teil. Die Geschichte der jungen Frau, die so grausam ermordet worden war, hatte offenbar das gesamte Land aufgeschreckt.
Ben steuerte den Pick-up vom Schotterparkplatz des Motels und hängte sich an einen CBS-Van, der die kurvige, über den Canyon führende Straße hinauffuhr. Mehrere Kurven später hielten sie vor einem schlichten einstöckigen Haus, vor dem sich eine Horde Medienleute versammelt hatte. Ben und Autumn
Weitere Kostenlose Bücher