Engelslieder
sollen.”
“Doch, haben wir”, mischte sich nun Autumn ein. “Er ist in den Bergen bei Ash Grove. Vielleicht lebt er sogar direkt dort. Dieser Traum muss irgendwie mit den anderen zusammenhängen.”
“Möglicherweise war der blonde Mann einer der Männer, die diese Frau ermordet haben”, fügte Ben hinzu.
“Wenn es so ist und Sie sich da oben einer laufenden Ermittlung in die Quere stellen …”
“Wir werden nichts tun, was Ihren Fall gefährden könnte. Wir müssen uns dort nur ein wenig umsehen und einigen Leuten paar Fragen stellen.”
“Also gut, aber seien Sie vorsichtig. Jetzt ist eine tote Frau im Spiel. Wenn Sie da oben herumschnüffeln, könnte das irgendjemandem gehörig gegen den Strich gehen.”
Sie verließen das Büro und schmiedeten sofort Pläne für die Reise. “Für diese Sache nehme ich mir ein paar Tage frei”, meine Ben. “Kannst du deine Termine irgendwie verschieben?”
“Ich rufe Josh an und bitte ihn, meine Kurse zu übernehmen. Die Einzelstunden werden gut bezahlt, also wird er sich über einen kleinen Zusatzverdienst sicher freuen.”
“Daran habe ich ja noch gar nicht gedacht. Wenn dich das Ganze hier Geld kostet, werde ich dir natürlich …”
Sie warf ihm einen ernsten Blick zu. “Ich will dein Geld nicht, Ben.”
Er sah aus, als wollte er diskutieren, doch er hielt sich zurück. Offenbar verstand er sie allmählich. Sie war unabhängig und wollte es auch bleiben. Überraschenderweise schien ihm das nichts auszumachen. Von allen Männern, mit denen sie zusammen war, war er der Einzige, der sie sie selbst sein ließ.
Steven Elliot hatte sie zu seiner Traumfrau verbiegen wollen. Luke Noland hatte immer nur interessiert, wie gut sie klettern konnte. Und Ronnie Hillson hatte sie nur flachlegen wollen.
“Was ist mit Katie? Was hast du ihr gesagt, als du eure Verabredung abgesagt hast?”
“Ich sagte, mir sei etwas sehr Wichtiges dazwischengekommen. Und dass ich es in der Woche wiedergutmachen würde. Da ich unsere Treffen fast nie absage, war sie damit einverstanden.”
Autumn und Ben gingen zurück in ihre Wohnungen, um die Taschen für eine mehrtägige Reise zu packen. Danach kam Ben in seinem Pick-up zu ihr.
“Der hat Allradantrieb”, erklärte er. “Außerdem fällt er nicht so auf.”
Da wir es mit Kindesentführung und Mord zu tun haben, dachte Autumn, ist unauffälliger auf jeden Fall besser.
25. KAPITEL
A sh Grove war nicht leicht zu finden. Es war nicht mehr als ein Punkt an der zweispurigen Straße, die in nördliche Richtung von der landschaftlich schönen Route 20 abging. In dem Ort gab es eine heruntergekommene Tankstelle, einen Tante-Emma-Laden, ein Café mit angeschlossenem Handwerksbetrieb, in dem die wenigen Touristen bedient wurden, die sich nach Ash Grove verirrten, und das Ash Grove Motel.
Die meisten Häuser in der Gegend thronten auf weiten Flächen Land, was der Grund dafür gewesen sein dürfte, dass niemand die Schreie der jungen Frau gehört hatte. Ihr Name war Priscilla Vreeland, wie die Polizei den Medien schließlich mitgeteilt hatte. Doug Watkins hatte ihnen widerwillig die Anschrift gegeben. Sie fanden die Hausnummer in schwarzer Schrift auf einen Briefkasten gepinselt, der in einem gefährlichen Neigungswinkel an der schmalen Straße stand. Das türkis verputzte Haus lag am Ende einer langen Schottereinfahrt abseits der Hauptstraße hinter einer Gruppe Kiefern und Platanen, beinahe vollkommen außer Sichtweite, was Mord und Flucht noch einfacher gemacht hatte.
“Wie sollen wir an die Sache herangehen?”, fragte Autumn. “Wir können ja schlecht vor dem Haus parken und anfangen, Fragen zu stellen.”
Ben lächelte grimmig. “Doch. Vielleicht sollten wir genau das tun.”
Er lenkte den Pick-up in die Auffahrt und fuhr auf das bunte Haus zu. Es hatte ein Satteldach und offenbar zwei Schlafzimmer im oberen Stockwerk. Vor der Haustür war gelbes Plastikband gespannt, das den Ort als Tatort kennzeichnete. Ben hatte das schon häufig im Fernsehen gesehen. Auf dem Platz vor dem Haus parkten zwei Autos – ein Streifenwagen und ein brauner Buick neueren Modells. Vermutlich der Gerichtsmediziner, ein Beruf, der in einer Gegend wie dieser von jeder x-beliebigen Person mit forensischer Zusatzausbildung ausgeführt werden konnte – sei es ein Zahnarzt oder ein Leichenbestatter –, die unter einem speziellen Vertrag bei dem County stand. Zum Glück waren – zumindest momentan – die Fernsehteams samt Kameras
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